Identität und Erbe

Ringvorlesung am 24. Mai 2022 in Berlin

WOLFGANG ERNST (BERLIN): TECHNOLOGIEN DER WISSENSTRADITION, UND DER TECHNOLÓGOS EUROPÄISCHER IDENTITÄT

Kulturelles Wissen tradiert sich nicht allein als „kollektives Gedächtnis“, sondern ist ebenso eine Funktion konkreter Überlieferungstechniken. Technisches Kulturgut stellt in diesem Rahmen eine ebenso materielle wie logische Verkörperung spezifischer Wissensweisen dar.

Der Vortrag fokussiert daher nicht so sehr diskursive Erinnerungs- und Geschichtspolitiken, sondern diverse nondiskursive (Kultur-)Techniken und Agenturen der Wissensspeicherung und -übertragung. Kulturelles „Erbe“ wird damit nachrichtentechnisch als Signal- und Datenempfang beschreibbar und medienarchäologisch in konkreten materiellen Dispositiven fassbar (technisches Kulturgut). In einem zweiten Schritt werden solche Technologien ihrerseits nicht nur als Agenten, sondern auch als Gegenstand kultureller Tradition verstanden. Technische ebenso wie logisch-diagrammatische Denk- und Handlungsweisen lassen sich als wesentlich als Inbegriff (Hard- und Software) europäischer Identität bestimmen. Methodisch oszilliert diese medienarchäologische Herangehensweise zwischen dem Archiv im Sinne einer non-narrativen Gedächtnisinstitution und l’archive im apriorischen Sinne Foucaults.

 

Wolfgang Ernst ist Ordentlicher Professor für Medientheorien an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er wurde 1990 im Fach Geschichtswissenschaft promoviert und habilitierte sich 2002 mit einer venia legendi für Kulturwissenschaft und Medienwissenschaft. Nach diversen externen Gastprofessuren begründete er an der Humboldt-Universität zu Berlin das Seminar für Medienwissenschaft.

Nach seiner Transformation vom Historiker zum Medienarchäologen widmet er sich in Forschung und Lehre vornehmlich mikrotemporalen und sonischen Medienprozessen sowie innertechnischer Eigenlogik und Eigenzeit. Aktuell erkundet er den Technológos medienkulturellen Wissens.

Weitere Vorträge in dieser Reihe:

31. Mai: Stefanie Hennecke (Weimar) | 7.Juni: Tobias Hönig, Andrijana Ivanda (Berlin) | Damjan Kokalevski (Berlin) | 5. Juli: Juliane Tomann (Erfurt) | 12. Juli: Elisa Satjukow (Weimar)

 

Je nach Verlauf des Pandemiegeschehens können die Vorträge im digitalen Format stattfinden. Aktuelle Informationen zu den Vorträgen und unseren Gästen finden Sie unter: https://www.identitaet-und-erbe.org/category/veranstaltungen/semestertermine/. Die Tonaufzeichnungen der Vorträge bieten wir in unserem Podcast zum Nachhören an.

Neuerscheinung „Instabile Konstruktionen"

Simone Bogner, Gabi Dolff-Bonekämper, Hans-Rudolf Meier (Hg.)

Interdisziplinäre Forschungen zu Identität und Erbe, Schriftenreihe des DFG-Graduiertenkollegs 2227, Band II

Wer von Erbe im Zusammenhang mit Identität spricht, verspricht sich und Anderen »Kontinuität« und »Stabilität«. Das Versprechen hält indes nur so lange, wie sich Menschen auf die damit verbundenen Erzählungen einlassen. Da diese zunehmend hinterfragt werden und der Begriff »Identität« im politischen Raum zu einer umkämpften Kategorie avanciert ist, werden auch die lange gehegten, gewohnten »Konstruktionen« instabil. Dies zeigt sich insbesondere in Momenten des Konflikts, der übergriffigen Inanspruchnahme und des Verlusts. Der Titel »Instabile Konstruktionen« verweist zugleich auf die beiden Kernbereiche des Kollegs: einerseits auf Architektur und Denkmalpflege, in denen der Begriff »Konstruktion« sich auf bauliche Manifestationen bezieht, von denen eine gewisse Haltbarkeit und Dauerhaftigkeit erwartet wird, und andererseits auf die Kultur- und Sozialwissenschaften, wo Konstruktion die soziale Herstellung symbolischer Sinnwelten meint. Ins Zentrum rückt so der Anspruch, die materielle Umwelt im Wechselverhältnis zu ihrer sozialen Gemachtheit zu verstehen.

Diesen Dimensionen von Identität und Kulturerbe gehen die Autor:innen in den hier versammelten Beiträgen nach. Die Aufsätze schlagen Brücken zwischen materiellen Manifestationen, sozialen Identitäts-Konfigurationen und Erbe-Narrativen und zeigen auf, wie eng diese Aspekte miteinander verflochten sind.

 

MIT BEITRÄGEN VON SIMONE BOGNER, GABI DOLFF-BONEKÄMPER, HANS-RUDOLF MEIER, MARK ESCHERICH, OXANA GOURINOVITCH, JOCHEN KIBEL, CLAUDIA BA, GEORG KRAJEWSKY, GÜLŞAH STAPEL, ZOYA MASOUD, MARIA FRÖLICH-KULIK, SARAH ALBERTI, WOLFRAM HÖHNE, KONSTANTIN WÄCHTER, LUISE HELAS, BIANKA TRÖTSCHEL-DANIELS, BENJAMIN HÄGER, LISA MARIE SELITZ, LAURA TORREITER

Das Buch (264 Seiten, ISBN:978-3-95773-301-6) kann ab sofort im Bauhaus-Universitätsverlag bestellt werden: https://asw-verlage.de/katalog/instabile_konstruktionen-2476.html

DFG-Graduiertenkolleg 2227 »Identität und Erbe«
 
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Architektur und Urbanistik
 
Wissenschaftliche Koordination:
Dr. Wolfram Höhne
99423 Weimar, Marienstr. 9 (Raum 105)
Tel. +49 (0) 3643 - 583139
wolfram.hoehne@uni-weimar.de
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