Identität und Erbe

Digitale Ringvorlesung am 29.11.2022
PETER GEIMER (PARIS): DIE FARBEN DER VERGANGENHEIT. WIE GESCHICHTE ZU BILDERN WIRD

Die Vergangenheit ist unbeobachtbar. Man hat von ihr gehört oder gelesen, man erinnert sich an sie, sortiert ihre Hinterlassenschaften oder macht sich nachträglich ein Bild davon, was sie gewesen ist. Aber keine dieser Formen des Gedenkens stellt die Vergangenheit als solche wieder her. Was wir von ihr wissen oder imaginieren, erfahren wir über Umwege: Erzählungen, Dokumente, Bilder, materielle Überreste. Zugleich ist das Vergangene aber nicht einfach abwesend: Spuren bleiben dauerhaft erhalten, Überreste drängen sich auf, Erinnerungen kehren ungefragt zurück. Vergangenheit entsteht also in einem komplexen Wechselverhältnis von Aneignung und Entzug, Vergegenwärtigung und Verschwinden, Anwesenheit und Abwesenheit. Vor diesem Hintergrund und am Beispiel von Fallstudien vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart fragt der Vortrag nach der besonderen Bedeutung visueller Medien – Malerei, Fotografie, Film – für die Darstellung und Aneignung von Vergangenheit. Wo liegt ihr Potenzial an Veranschaulichung, wo ihre medienspezifischen Grenzen?

Peter Geimer (Prof. Dr.) studierte Kunstgeschichte, Neuere deutsche Literatur und Philosophie in Bonn, Köln, Marburg und Paris. Er promovierte zu Strategien der Nachträglichkeit in der Kunst des 18. Jahrhundert und forschte am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin, der Universität Konstanz, der ETH Zürich, der Universität Basel (Forschungsschwerpunkt „Bildkritik“) und an der Universität Bielefeld (Professur für Historische Bildwissenschaft und Kunstgeschichte). Seit 2010 ist er Professor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin, wo er das DFG Graduiertenkolleg „BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik“ leitete. Am 1. Oktober 2022 übernimmt Peter Geimer die Leitung des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris.

Der Vortrag kann per Livestream verfolgt werden unter dem Link:
https://tu-berlin.zoom.us/j/66921079151?pwd=UThiZWxYYTYzbjdRZUxXRHU3R0JYZz09
Meeting-ID: 669 2107 9151
Kenncode: 175790

Beginn: 18.30 Uhr

Aktuelle Informationen zu den Vorträgen und unseren Gästen finden Sie unter: https://www.identitaet-und-erbe.org/category/veranstaltungen/semestertermine/. Die Tonaufzeichnungen der Vorträge bieten wir in unserem Podcast zum Nachhören an.

Neuerscheinung: 
PRAKTIKEN DES ERBENS. METAPHERN, MATERIALISIERUNGEN, MACHTKONSTELLATIONEN

Simone Bogner, Michael Karpf, Hans-Rudolf Meier (Hrsg.)

Ausgehend von der Bemerkung des Philosophen Jacques Derrida, dass Erbe immer auch eine Aufgabe sei, widmet sich der dritte Band der Schriftenreihe des Graduiertenkollegs „Identität und Erbe“ den sozialen und kulturellen Praktiken der Bezugnahme auf Vergangenheit(en) und Identität(en). Mit einem (kulturellen) Erbe soll und muss etwas getan werden, um es überhaupt hervorzubringen. Es konstituiert sich erst im Akt des (Nicht-)Erbens, das heißt im Wechselverhältnis mit den mit und an ihm ausgeführten Praktiken. Gleichwohl ermöglicht erst deren Verbindung mit den materiellen Überresten und Überlieferungen des Erbes eine Aneignung oder Ablehnung der Vergangenheit sowie die Fort- und Umschreibung eines bereits bestehenden Erbes. Diese Vorgänge sind nicht willkürlicher Natur: Die Möglichkeiten zur Interpretation und Deutung werden durch die sozialen, politischen, kulturellen, ökonomischen und technischen Bedingungen der Gegenwart sowie durch die Geschichte und Materialität des Erbes beschränkt, erweitert und gelenkt. Erbe und Erbeprozesse müssen deshalb notwendigerweise miteinander in Beziehung gesetzt werden.

Mit Beiträgen von
Simone Bogner und Michael Karpf, Stefan Willer, Giorgia Aquilar, Jörg Springer, Bernd Euler-Rolle, Elizabeth Sikiaridi und Frans Vogelaar, Verena von Beckerath, Alexandra Klei, Oluwafunminiyi Raheem, Ronny Grundig, Özge Sezer, Anna Kutkina, Inge Manka, Karolina Hettchen und Monique Jüttner sowie Julian Blunk.

Erhältlich im:
Bauhaus-Universitätsverlag Weimar (2022)
978-3-95773-303-0 (ISBN). 264 Seiten
DFG-Graduiertenkolleg 2227 »Identität und Erbe«
 
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Architektur und Urbanistik
 
Wissenschaftliche Koordination:
Dr. Wolfram Höhne
99423 Weimar, Marienstr. 9 (Raum 105)
Tel. +49 (0) 3643 - 583139
wolfram.hoehne@uni-weimar.de
Unsubscribe   |   View this E-Mail in your Browser