NEWSLETTER #9 WINTERSEMESTER 2020/21 

RINGVORLESUNGSREIHE
Wir möchten Sie gerne einladen zum nächsten dienstägichen Vortrag in unserer Vorlesungsreihe. Am 26. Januar 2021 wird Prof. Dr. Angela Schwarz (Siegen) sprechen über »Eintauchen in die Vergangenheit? Angebote virtueller und analoger Geschichtswelten zwischen historischem Erbe und Vermarktung populärer Geschichte«. 
Eine Anmeldung ist möglich bis zum 25.1.2021 unter simone.bogner[at]tu-berlin.de an. Sie erhalten dann einen einmaligen Zugangslink.

DIE KOLLEGIAT*INNEN STELLEN SICH VOR...
Letztes Jahr haben wir begonnen, in einem neuen Format die Doktorand*innen der 2. Kohorte vorzustellen, die seit Oktober 2019 ihre Forschungen aufgenommen haben. Diesmal geben die beiden in Weimar assoziierten Kollegiaten Jan Engelke und Henri Hoor einen persönlichen Einblick in ihre Arbeiten und berichten von ihren Forschungen im Spannungsfeld von »Identität & Erbe«.
RINGVORLESUNGSREIHE »IDENTITÄT UND ERBE«
 
Auch weiterhin findet unsere Ringvorlesungsreihe nur im digitalen Raum statt. Wenn Sie sich den Vortrag live anhören möchten, so melden Sie sich bitte bis zum 25.1.21 unter simone.bogner[at]tu-berlin.de an. Sie erhalten dann einen einmaligen Zugangslink.
Wir laden Sie außerdem herzlich ein, sich die Vorträge des Wintersemesters 2020/21 später unter https://www.identitaet-und-erbe.org/podcast/ anzuhören. 


26. Januar 2021, 18:30 Uhr
Angela Schwarz (Siegen): »
Eintauchen in die Vergangenheit? Angebote virtueller und analoger Geschichtswelten zwischen historischem Erbe und Vermarktung populärer Geschichte«

Ob im Spielfilm, im Führungsangebot durch das rekonstruierte Stadtviertel oder die zum Denkmal erhobene Industrieanlage, ob im digitalen Spiel oder in der Suche nach einem geeigneten Studienfach: Überall findet sich das Versprechen eines Eintauchens in die Vergangenheit. Geschichte wird als Erlebnis vermarktet und als authentische Erfahrung nachgefragt. Der Beitrag stellt verschiedene Angebote solcher Geschichtswelten vor und fragt danach, wie sich diese Ausrichtung auf das Erleben auf ihre Verortung zwischen Erbe und Identitätskonstruktion einerseits und Vermarktung und Umdeutung konkreter Vergangenheiten andererseits auswirkt.

Angela Schwarz ist Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Siegen Sie forscht zu vielfältigen Themen der Kultur-, Sozial-, Politik-, Alltags- und Mentalitäts- sowie Regionalgeschichte, darunter zur Wissensgeschichte, zur Stadt- und Mediengeschichte wie der Popularisierung von Wissen, der Vorstellungen von urbanem Leben oder der Popularisierung von Geschichte in Formaten von der Reise über die Zeitschrift bis zum digitalen Spiel. Zu den jüngsten Veröffentlichungen gehört Streitfall Evolution. Eine Kulturgeschichte (2017), Reisen in die Vergangenheit. Geschichtstourismus im 19. und 20. Jahrhundert (2019), History in Videogames and the Craze for the Authentic, in: Martin Lorber, Felix Zimmermann (Hrsg.): History in Games. Contingencies of an Authentic Past (2020) und Traumstädte von morgen: Visionen von der Stadt der Zukunft in den USA zwischen den 1880er und 1930er Jahren (2020).  
Sie befasst sich seit rund dreißig Jahren mit der Popularisierung von Wissen, seit rund zwanzig mit der Popularisierung von Geschichte in Massenmedien wie Zeitschriften, Reklamesammelbildern oder Computerspielen.
 
 
Ringvorlesungsreihe
Semestertermine WS 20/21

26.01.2021
Angela Schwarz (Siegen):
Eintauchen in die Vergangenheit?

»Angebote virtueller und analoger Geschichtswelten
zwischen historischem Erbe und Vermarktung populärer Geschichte«

02.02.2021
Barbara Schönig (Weimar):
»Transformation als Erbe: Wohnen in Ostdeutschland.
Der Beitrag der Interdisziplinären Wohnungsforschung zu ›Identität und Erbe‹«

09.02.2021

Nikita Dhawan (Gießen):
»What difference does difference make?«
DIE KOLLEGIAT*INNEN STELLEN SICH VOR...
#5 MIT JAN ENGELKE UND HENRI HOOR
 
Mit diesem Format wollen wir Ihnen die Kollegiat*innen des Graduiertenkollegs näher vorstellen und Ihnen einen Einblick in die entstehenden Arbeiten in unserem interdisziplinären Kolleg geben. Diesmal im Dialog unter unseren assoziierten Kollegiat*innen, erzählen zwei unserer Doktorand*innen von ihren Forschungen und den Herausforderungen und Erkenntnissen aus dem Promotionsalltag.
 
JAN ENGELKE (ASSOZIIERT IN WEIMAR)
Während meines Architekturstudiums in Zürich und eines Auslandsjahres in Weimar habe ich mich zunehmend lieber mit Architekturtheorie und -geschichte beschäftigt, als mit dem architektonischen Entwurf. An der ETH habe ich 2017 mit der Arbeit „Die Schönheit des Katasterplans“ abgeschlossen, in der ich gemeinsam mit meinem Kommilitonen Lukas Fink den Katasterplan der Stadt Zürich verschoben und die Folgen dieses „bürokratischen Fehlers“ architektonisch ausgearbeitet habe. In dieser Arbeit hat meine Auseinandersetzung mit der (bau)kulturellen Rolle privaten Grundeigentums und der ideologischen Macht des alltäglich Gewohnten begonnen, die ich seit 2019 in meinem Dissertationsprojekt zum Eigenheim in der westdeutschen Nachkriegszeit und der Zeitschrift Schöner Wohnen fortsetze.
HENRI HOOR (ASSOZIIERT IN WEIMAR)
Ich habe Archäologie und Kunstgeschichte in Hamburg, Wien und Tübingen studiert und unter anderem zu frühmittelalterlicher Wandmalerei geforscht. Nach einer Zeit der kuratorischen und bauarchäologischen Praxis hat es mich wieder in die Forschung gezogen, sodass ich in Weimar mein Dissertationsprojekt als Assoziierter im Rahmen dieses Graduiertenkollegs begonnen habe. In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Inszenierung von stadtarchäologischen Denkmalen und der ihnen zugewiesenen Rolle zur lokalen Identitätsbildung. Mein Fokus liegt hierbei auf den Städten Berlin, Frankfurt und Köln, die sich aufgrund ihrer vielschichtigen Umwälzungen im Stadtbild in herausragender und herausfordernder Weise für dieses Vorhaben anbieten.
1
INSPIRATION
WAS NIMMST DU AN INSPIRATION AUS DEM ÜBERTHEMA "IDENTITÄT UND ERBE" MIT? WELCHE INTERDISZIPLINÄREN FORSCHUNGSANSÄTZE BEEINFLUSSEN DICH?
 
JE
Die Eigenheime der Nachkriegszeit sind, so meine Überzeugung, ein wesentlicher Teil des baukulturellen Erbes der Bundesrepublik – eines ambivalenten Erbes, das durch die Werte und Wünsche der Wirtschaftswunder-Generation geprägt ist und vom durch die kontextuellen Bedingungen dieser Zeit geprägten Weg der Moderne in den Alltag erzählt. Der Identitätsbegriff greift wohl auf zwei Ebenen: Auf einer kollektiven, politischen Ebene haben die konservativen ersten Bundesregierungen der BRD die Architektur des Eigenheims instrumentalisiert, um ihr auf Privateigentum, Individualismus, Kernfamilie und tradierten Geschlechterrollen basierendes Wertesystem architektonisch zu fixieren und im Kontext des Kalten Krieges gegen einen anderen Gesellschaftsentwurf in den Ostblockstaaten abzugrenzen. Auf individueller Ebene sind die einzelnen Architekturen Ausdruck der Identität der Bewohner*innen, die durch bestimmte architektonische Bilder – „Bungalow mit Flachdach“, zum Beispiel – eine eigene Haltung vermitteln und gegen die ihrer Nachbar*innen abgrenzen wollten. In meinem Thema überlagern sich mehrere der am Graduiertenkolleg vertretenen Disziplinen. Neben meinem eigenen Fachgebiet und Fächern wie der Baugeschichte und Denkmalpflege, mit denen ich bereits Berührungspunkte hatte, betrifft das insbesondere die Kultur- und Mediengeschichte, Planungsgeschichte und Architektursoziologie. Ich bin froh, Teil des interdisziplinären Miteinanders dieses Kollegs sein zu können.

HH
Dass die Begriffe ‚Identität‘ und ‚Erbe‘ hoch im Kurs stehen, beweist nicht nur dieses Graduiertenkolleg – gerade auf tagespolitischer Ebene werden sie oft gebraucht, wenn es etwa um das historische Erbe geht, dass es zu bewahren und zu pflegen gilt. 
Durch Denkmalämter und Museen wird die Stadtidentität und das städtische Erbe bemüht, um historische Relikte in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen, der die denkmalpflegerische Intervention rechtfertigt. Diese emotionale Sprache und Verschlagwortung sind zwar für die ausführenden Institutionen von großer Wichtigkeit, um ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu verankern; dabei hatte ich jedoch aus eigener Anschauung oft das Gefühl, dass die Begriffe ‚Identität‘ und ‚Erbe‘ meist verkürzt und wenig reflektiert in der medialen Kommunikation gebraucht werden. Ich freue mich deshalb sehr, innerhalb dieses breit aufgestellten Kollegs mit zu Ursachen und Wirkungen dieser Begriffe zu forschen. Meine Arbeit selber ist interdisziplinär angelegt und hat neben der Archäologie und Architektur auch einen denkmalpflegerischen, museologischen und urbanistischen Zugang. 

AKTUELL UND RELEVANT
WELCHE AKTUELLEN DEBATTEN SPIEGELN SICH IN DEINEM THEMA WIDER?

JE
Heute ist das Lebensmodell Eigenheim aller Kritik zum Trotz populärer denn je – und damit auch dessen Grundlage, der unantastbare Stellenwert privaten Grundeigentums in unserer Gesellschaft. Die damit verknüpfte „Bodenfrage“ ist angesichts der Wohnraumkrise in den Städten heute aktueller denn je. Das konservative Familienideal der Kernfamilie und tradierte Rollenzuschreibungen haben die Architektur des Eigenheims in der Nachkriegszeit geprägt. Sie bedarf heute dringend einer kritischen Diskussion, um nicht ihrerseits vorgestrige Rollen- und Familienbilder unhinterfragt fortzuschreiben. Die Disziplin der Denkmalpflege stellen die Eigenheime der 50er und 60er-Jahre vor eine große Herausforderung, weil mit den üblichen Kriterien schwer festzumachen ist, welchen dieser zahllosen alltäglichen Architekturen Wert zuzuschreiben ist – während der oftmals sanierungsbedürftige Bestand vielerorts durch steigende Bodenpreise städtebaulich unter Druck gerät und auch seine Erbauer*innen und Erstbewohner*innen altern. Erstaunlicherweise gibt es aktuell gerade aus architektonischer Perspektive wenig Auseinandersetzung mit diesem Thema. Es wird Zeit, dass sich das ändert!
 
HH
Der innerstädtische Strukturwandel, der durch die gegenwärtige Corona-Pandemie noch verschärft wird, ist gerade ein überaus aktuelles Phänomen und Untersuchungsgegenstand meiner Arbeit. Speziell die Stadtkerne haben mit neuen Nutzungsanforderungen zu kämpfen, sodass in zahlreichen Kommunen für die Konstruktion lokaler Identitäten und als Publikumsbringer vermehrt neben architektonischen Rekonstruktionen auch Bodendenkmale archäologisch konserviert und baulich in den Stadtraum integriert werden. In diesem Zusammenhang untersuche ich auch, ob ‚authentische‘ Baurelikte als Gegenlösung oder Begleiterscheinung des anhaltenden Retro- und Rekonstruktionswesens angesehen werden. Auch aktuelle programmatische Bezugspunkte wie „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ spiegeln sich in meiner Arbeit wider, da vermehrt auch archäologische Stätten einstigen jüdischen Lebens in den Fokus des Stadtmarketings und Geschichtstourismus rücken. 

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AUS DER PRAXIS
WIE LASSEN SICH DEINE ERFAHRUNGEN AUS FRÜHEREN ODER ANDEREN PROJEKTEN / TÄTIGKEITEN IN DEIN PROJEKT EINBRINGEN?

JE
Als Teil der Regionalberatung des Mietshäusersyndikats in Berlin bin ich bei der Beratung von Hausprojekt-Gruppen immer wieder mit stadtpolitischen Debatten konfrontiert. Wie wollen wir leben? In welchen Konstellationen? In wessen Häusern? In der Stadt oder im ländlichen Raum? Diese Erfahrungen helfen mir, in meinem historischen Thema den Draht zur Gegenwart zu halten. 
Als Teil des Architekturforschungskollektivs ANA – Architekturforschung, Narration, Aktion forsche und publiziere ich mit anderen zu Gebäuden aus der Nachkriegszeit und den 70er-Jahren. Uns eint das Ziel, aktiv für den Erhalt einer widersprüchlichen, heterogenen Stadt einzutreten. In diese Arbeit kann ich viele inhaltliche und methodische Erkenntnisse aus der Arbeit an meiner Dissertation einbringen und es ist toll, in freierer Form, kürzeren Rhythmen und auch im Team an verwandten Themen arbeiten zu können.

HH
In der unmittelbaren Zeit nach meinem Studium übte ich erst einmal eine praktische Tätigkeit in einer archäologischen Grabungsfirma aus, für die ich bei Stadtkerngrabungen im Auftrag der Landesarchäologie Bremen tätig war. Hier gewann ich ein tieferes Gespür für die Bauabläufe und die Materie, mit der ich mich letztendlich theoretisch in weiteren Schritten in meiner Dissertation beschäftige. Aber auch schon während meines Studiums in Hamburg habe ich für die dortige Bodendenkmalpflege gearbeitet. Eindrücklich ist mir der ständige ökonomische Druck zur optimalen Verwertung und Transformation des Baugrundes in der „Freien und Abrissstadt Hamburg“ bewusst geworden, wie es bereits der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, Anfang des 20. Jh. formulierte. 
Dass archäologische Museen wie jene in Hamburg oder Frankfurt mit ihrer Kulturvermittlung zunehmend auch den Stadtraum mitplanen, finde ich dabei eine spannende Entwicklung. 
Technische Universität Berlin
Fakultät VI – Planen Bauen Umwelt
Institut für Stadt- und Regionalplanung
Fachgebiet Denkmalpflege
DFG-Graduiertenkolleg 2227 »Identität und Erbe«
Hardenbergstr. 40a, 10623 Berlin

Sitz:
Ernst-Reuter-Platz 1, 10587 Berlin | BH-A 338
+49 (0)30 314-25385
simone.bogner@tu-berlin.de
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