NEWSLETTER #11 WINTERSEMESTER 2020/21 

RINGVORLESUNGSREIHE

Die letzte Vorlesung dieses Wintersemesters findet am 9. Februar statt und wir möchten Sie noch einmkal ganz herzlich dazu einladen. Prof. Dr. Nikita Dhawan (Gießen) fragt in ihrem Vortrag: »What difference does difference make?«. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt.
Eine Anmeldung ist möglich bis zum 8.2.2021unter simone.bogner[at]tu-berlin.de. Sie erhalten dann einen einmaligen Zugangslink.

DIE KOLLEGIAT*INNEN STELLEN SICH VOR...
Letztes Jahr haben wir begonnen, in einem neuen Format die Doktorand*innen der 2. Kohorte vorzustellen, die seit Oktober 2019 ihre Forschungen aufgenommen haben. Diesmal geben die beiden Kollegiat*innen Zoya Masoud (Berlin) und Juliane Richter (Weimar) einen persönlichen Einblick in ihre Arbeiten und berichten von ihren Forschungen im Spannungsfeld von »Identität & Erbe«.
RINGVORLESUNGSREIHE »IDENTITÄT UND ERBE«
 
Auch weiterhin findet unsere Ringvorlesungsreihe nur im digitalen Raum statt. Wenn Sie sich den Vortrag live anhören möchten, so melden Sie sich bitte bis zum 8.2.21 unter simone.bogner[at]tu-berlin.de an. Sie erhalten dann einen einmaligen Zugangslink.
Wir laden Sie außerdem herzlich ein, sich die Vorträge des Wintersemesters 2020/21 später unter https://www.identitaet-und-erbe.org/podcast/ anzuhören. 


9. Februar 2021, 18:30 Uhr
Nikita Dhawan (Gießen): »What difference does difference make?«

This talk will engage with the formative concepts of diversity and intersectionality, inquiring how far they are employed as tools for achieving gender and racialized justice that open up spaces for marginalized constituencies, including racial and religious minorities, colonial subjects, queers, and women, and how they unwittingly reify the hegemony of an entitled majority by failing to realize their emancipatory possibilities.

Nikita Dhawan is Professor of Political Science and Gender Studies at the University of Gießen, Germany. One of the enduring focal points of her work has been to explore the historical, economic, socio-political, and cultural entanglements between Europe and the postcolonial world. The aim is to understand fundamental ethical and epistemological questions of political and social inequality, intersectionality and diversity, (women’s) human rights, gender violence, religion and secularism, democracy, cosmopolitanism, transnational (gender) justice, migration, and globalization. Furthermore, her recent research also focuses on the relation between states, civil society, and subaltern groups with regard to questions of citizenship, political agency, and social vulnerability. Her publications include: Impossible Speech: On the Politics of Silence and Violence (2007); Decolonizing Enlightenment: Transnational Justice, Human Rights and Democracy in a Postcolonial World (ed., 2014); Global Justice and Desire: Queering Economy (co-ed., 2015); Negotiating Normativity: Postcolonial Appropriations, Contestations and Transformations (co-ed., 2016); Difference that makes no Difference: The Non-Performativity of Intersectionality and Diversity (ed., 2017) and Reimagining the State: Theoretical Challenges and Transformative Possibilities (co-ed., 2019). She received the Käthe Leichter Award in 2017 for outstanding achievements in the pursuit of women’s and gender studies and in support of the women’s movement and the achievement of gender equality.
 
Ringvorlesungsreihe
Semestertermine WS 20/21

09.02.2021

Nikita Dhawan (Gießen):
»What difference does difference make?«
DIE KOLLEGIAT*INNEN STELLEN SICH VOR...
#7 MIT ZOYA MASOUD UND JULIANE RICHTER
 
Mit diesem Format wollen wir Ihnen die Kollegiat*innen des Graduiertenkollegs näher vorstellen und Ihnen einen Einblick in die entstehenden Arbeiten in unserem interdisziplinären Kolleg geben. Im Dialog zwischen den beiden Standorten erzählen zwei unserer Doktorand*innen von ihren Forschungen und den Herausforderungen und Erkenntnissen aus dem Promotionsalltag.
 
ZOYA MASOUD (BERLIN)
In Damaskus, Hamburg und Dar es Salaam studierte ich Architektur und Stadtplanung. Vor dem syrischen Krieg habe ich in verschiedenen Restaurierungsprojekten in der Altstadt von Damaskus sowie Aleppo gearbeitet. Seit 2015 war ich an verschiedenen kulturellen Einrichtungen wie dem Deutschen Archäologischen Institut, der BTU Cottbus und dem Berliner Museum für Islamische Kunst tätig. Mein Schwerpunkt lag hierbei stets auf der Altstadt von Aleppo. Seit Oktober 2019 bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin und arbeite im Rahmen des Graduiertenkollegs 2227 „Identität und Erbe“ an meinem Dissertationsprojekt.
JULIANE RICHTER (WEIMAR)
Nach meinem Kunstgeschichts-, Journalistik- und Theaterwissenschaftsstudium in Leipzig und Rom arbeitete ich zuerst als Volontärin bei einer Architekturzeitschrift und danach als Kuratorin, um mich schließlich doch noch einmal der Wissenschaft zu widmen. In meiner Promotion untersuche ich Prozesse des transnationalen Architekturtransfers, der immer auch ein (Re-)Transfer und eine Verflechtungsgeschichte von Wissen, Erfahrungen, Modellen und Technologien ist. Ich stelle dies am Beispiel der von Planer*innen der DDR konzipierten und in Kuba zwischen 1960 und 1991 errichteten Bauprojekte vor, deren Entstehungsgeschichte ich im Kontext transnationaler Netzwerke untersuche.
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INSPIRATION
WAS NIMMST DU AN INSPIRATION AUS DEM ÜBERTHEMA "IDENTITÄT UND ERBE" MIT? WELCHE INTERDISZIPLINÄREN FORSCHUNGSANSÄTZE BEEINFLUSSEN DICH?
 
ZM
In meiner Forschung beschäftige ich mich mit dem Umgang des Verlustes und seiner historischen Entwicklung in Krieg und Nachkriegszeiten. Ich versuche die Erfahrungen der Zerstörung des Erbes und die Identifikation mit dem UNESCO Weltkulturerbe – der Altstadt von Aleppo zu untersuchen. Meine Empirie besteht aus Bildmaterialien, Plänen und Karten Aleppos, aber auch vor allem aus Interviews. Letztere habe ich im Rahmen meiner Arbeit in der musealen Kunstvermittlung bereits begonnen aufzunehmen, da die Geflüchteten mir in diesem Kontext spannende Geschichte erzählten. Für sie führe ich die Forschung durch und hoffe, dass ich ihre Geschichten, Emotionen und Erfahrungen auch adäquat innerhalb meines Projekts widerspiegeln kann. Die Erforschung der Zerstörung und der Debatten um den Wiederaufbau Aleppos und deren Einfluss auf die Erinnerung der Aleppiner verkörpert einige der Kernprinzipien und Forschungsziele des DFG-Graduiertenkollegs "Identität und Erbe". Im Kolleg profitieren wir von fruchtbaren Diskussionen in einer interdisziplinären Atmosphäre. So greife ich allein in meiner Dissertation auf verschiedene Disziplinen wie die Denkmalpflege, Architekturgeschichte, Raum-/Soziologie und Islamwissenschaft zurück. 

JR
Mein Thema berührt mehrere Disziplinen – Architekturgeschichte, Global History, Soziologie, Kulturwissenschaften, Postcolonial Studies. Hier und da gibt es Anknüpfungen zu den Forschungen meiner Kolleg*innen und ich bin dankbar für die vielen Impulse aus dem Kolleg. Meine persönliche Herausforderung ist es, meinen Weg durch die verschiedenen Möglichkeiten der Forschungsperspektiven zu finden, ohne den Fokus dabei zu verlieren, denn viele Theorien und Methoden kannte ich aus meinem Studium nicht. Die Kunstgeschichte, wo ich ja „herkomme“, ist in großen Teilen weniger theorielastig. Der Kanon generiert sich gemeinhin immer noch aus der westlichen Kunst seit der Antike und auch die Hintergründe der Autor*innen, die wir gelesen haben, waren meist homogen. Seit einigen Jahren schlägt sich aber auch hier der „global“ und der (wievielte eigentlich?) „postcolonial turn“ in vielen Studien und Forschungen nieder.

AKTUELL UND RELEVANT
WELCHE AKTUELLEN DEBATTEN SPIEGELN SICH IN DEINEM THEMA WIDER?

ZM
Mit dem Beginn des syrischen Krieges entwickelten sich global geführte Diskussionen um die „einzigartige“ kulturelle Identität sowie das bedeutende historische/architektonische Erbe Syriens zu bewahren. Nahtlos schlossen sich Debatten um den richtigen Weg des Wiederaufbaus an. National wie international wurde etwa seit Anfang des Krieges im Jahr 2012 der Wiederaufbau Aleppos intensiv diskutiert. Diese Diskussionen finden innerhalb kultureller Institutionen, aber auch in sozialen Medien statt. Ich habe schnell festgestellt, dass alle meine Interviewpartner*Innen von einem „Wir-Gefühl“ ausgehen. Die sozialen Medien bieten für Aleppiner*Innen die Möglichkeit, sich intensiv über die Bedeutung „ihrer“ Altstadt auszutauschen und „ihren“ Verlust „kollektiv“ zu bedauern. Allerdings wurde schnell deutlich, dass sie sich nicht darüber einig waren, welche Eigenschaft die „Wir-Gruppe“ habe. Digitalisierung und Räume innerhalb der sozialen Medien erlauben Gruppierungen, sich zu konstituieren. Diese Prozesse beeinflussen die mentale Repräsentation des verlorenen physischen Erbes, so dass verschiedene Vorstellungen von Identität konstruiert werden.
 
JR
Kuba ist heute eines der wenigen sozialistisch regierten Länder der Welt. Die Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit der DDR ist nach wie vor präsent und tatsächlich zumeist positiv besetzt, wie ich Gesprächen mit meinen Interviewpartner*innen entnehmen kann. Dennoch ist das Wissen über den baulichen Ertrag dieser Kooperation noch recht unterrepräsentiert, weshalb meine Forschung auf großes Interesse stößt, zumindest unter den kubanischen Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen, die sich mit dem jüngeren architektonischen Erbe des Landes auseinandersetzen.  Dass einige Architekt*innen und Stadtplaner*innen unter ihnen individuelle Erinnerungen an das Leben in der DDR haben, liegt auch daran, dass sie dort studiert und promoviert haben, so auch an der Hochschule in Weimar am sogenannten „Wissenschaftsbereich Tropen- und Auslandsbau“ der Hochschule für Architektur und Bauwesen. Das war eine Art Institut, das sich mit praktischen und theoretischen Problemen des „Bauleistungsexports“ der DDR auseinandergesetzt hat – mit der Erforschung der Materialien und Technologien eines „angepassten“ Bauens in den Tropen und mit den sozialen und ökonomischen Auswirkungen des Bauens in den sogenannten Entwicklungsländern. Die Themen und Debatten dazu kann man weiterverfolgen über Überlegungen zum Bauen mit lokalen Ressourcen und zum ökologischem Bauen bis hin zu heutigen Diskursen um „sustainable architecture“. Letztlich fußen aber auch Gedanken zum „klimagerechten Bauen“ in Ländern mit tropischen Klimata unter anderem auf Netzwerke, die sich in der Kolonialzeit entwickelten.

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AUS DER PRAXIS
WIE LASSEN SICH DEINE ERFAHRUNGEN AUS FRÜHEREN PROJEKTEN / TÄTIGKEITEN IN DEIN PROJEKT EINBRINGEN? 

ZM
Meine Tätigkeiten im Kontext der Projekte „3D Modell von Aleppo Basar“ am DAI, des „Syrian Heritage Archive“ am Museum für Islamische Kunst und des „Aleppo Archive in Exile“ an der BTU Cottbus zielten darauf ab, das gebaute Erbe von Aleppo zu schützen, indem wir eine wissenschaftliche Dokumentation der Denkmäler vor und nach dem syrischen Krieg erstellten. In diesen Projekten war ich an der Entwicklung von Datenbanken zur Geografie der Altstadt Aleppos sowie der Bild- und Schadensbewertung beteiligt. Während meiner Arbeit mit diesen Initiativen vertiefte ich mein Wissen über das materielle und immaterielle syrische Erbe und verstand, wie Wissenschaftler und Forscher versuchen, ein virtuelles visuelles Gedächtnis von Syrien vor 2011 zu bewahren. Parallel dazu führte ich seit Oktober 2015 im Berliner Museum für Islamische Kunst im Rahmen des Projekts "Multaka – Treffpunkt, Geflüchtete als Guides in Berliner Museen" dialogische Führungen mit syrischen Neu-Ankommenden auf Arabisch durch. Aleppinische Geflüchtete teilten mir ihre ortsbezogenen Erinnerungen in der Altstadt mit. Ihre Emotionen, die sie auf diese, ihnen vertrauten Orte projizierten, wurden durch die Erfahrung des Verlustes des Erbes im Exil noch verstärkt. In manchen Fällen wurden durch die Konfrontation mit Objekten aus Aleppo im Museum erst Verlusterfahrungen erzeugt und dadurch ein neuer Bezug zum Ort initiiert. Die Multaka-Touren zeigten mir, wie unterschiedlich das gebaute Erbe Aleppos von WissenschaftlerInnen einerseits und verschiedenen Gruppen der Aleppiner Neuankömmlinge andererseits rezipiert wird. Auf Basis dieser Erfahrungen entwickelte ich mein Promotionsvorhaben. 


JR
Ich habe mich schon in meiner Magisterarbeit mit Architektur und Stadtplanung in der DDR auseinandergesetzt, damals ging es um ein Thema zum innerstädtischen Wohnungsbau in Plattenbauweise in Leipzig. Später habe ich das Kunst-Architektur-Festival RASTER : BETON in einer Großwohnsiedlung konzipiert und mit einem großen Team durchgeführt. Durch beide Projekte habe ich erfahren, wie wichtig es für mich ist, meine Forschung in eine fach-fremde oder -periphere Öffentlichkeit zu vermitteln. Für mein Dissertationsprojekt plane ich das ebenfalls, ich finde so viele Artefakte im Archiv, die mit meinem eigentlichen Thema nur am Rande etwas zu tun haben, aber ihm eine weitere narrative Ebene hinzufügen. Diese möchte ich gern teilen, das kann mittels einer Website, einer Onlineausstellung oder einem kleinen Film geschehen. Allerdings möchte ich dazu erst einmal eine solide Basis an Daten und Quellen haben und meine empirische Arbeit abschließen. Auch, wenn ich derzeit nicht nach Kuba reisen kann, lassen sich in hiesigen Archiven oder Privatbibliotheken noch einige Schätze heben – diese Geschichte ist wirklich noch lange nicht zu Ende erzählt.
Technische Universität Berlin
Fakultät VI – Planen Bauen Umwelt
Institut für Stadt- und Regionalplanung
Fachgebiet Denkmalpflege
DFG-Graduiertenkolleg 2227 »Identität und Erbe«
Hardenbergstr. 40a, 10623 Berlin

Sitz:
Ernst-Reuter-Platz 1, 10587 Berlin | BH-A 338
+49 (0)30 314-25385
simone.bogner@tu-berlin.de
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