Alexander Leistner (Leipzig): „LETZTES JAHR TITANIC“. DER UNTERGANG VON ERWARTUNGSHORIZONTEN UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE OSTDEUTSCHE TRANSFORMATIONSGESELLSCHAFT

Ringvorlesung am 2.Mai (18.30 Uhr)
Technische Universität Berlin, Neuer Raum:
Erweiterungsbau, Straße des 17. Juni 145, Raum EB223

Der Zusammenbruch der DDR-Gesellschaft hat materielle Spuren hinterlassen: abgerissene Gebäude – hier vor allem Industrieanlagen, verblasste Fassaden, re- und rückkonstruierte Innenstädte. Die Lücken und Leerstellen anderer Verlusterfahrungen sind dagegen weniger sichtbar. Gemeint sind jene zeitgenössischen Zukunftsvorstellungen, die mit der DDR untergegangen sind, insbesondere die Hoffnung auf eine reformsozialistische Erneuerung sowie auf eine wirtschaftliche Stabilisierung durch „blühende Landschaften“. Beide, in ihrer Zeit plausiblen, zugleich konkurrierenden Zukünfte wurden in den folgenden Jahren geschichtspolitisch marginalisiert und erinnerungskulturell ‚vergessen’. Gleichwohl prägen sie die (ost-)deutsche Gesellschaft bis in die Gegenwart und sind Teil einer krisenhaften Zeiterfahrung. Diese findet ihren Niederschlag in der ostdeutschen Protestkultur seit 1990. Die Analyse der, zum Teil sehr unterschiedlichen und eigensinnigen Aneignungen der vergangenen Zukünfte von 1989/90 ermöglichen einen Zugang zum Verstehen der Heterogenität von Erfahrung und Erwartung sowie zum Verstehen der politischen Kultur im Osten der Gegenwart.

Alexander Leistner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig. Dort verantwortet er die beiden Teilprojekte des BMBF-Forschungsverbundes „Das umstrittene Erbe von 1989“. Zuvor arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Jugendinstitut sowie im Sächsischen Landtag. Für seine Dissertation „Zur Entstehung und Stabilisierung sozialer Bewegungen. Eine historische Soziologie der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR“ erhielt er 2016 den „Max Weber Preis für Nachwuchsforschung“.
Zuletzt erschienen: „Das umstrittene Erbe von 1989. Zur Gegenwart eines Gesellschaftszusammenbruchs“, Böhlau Verlag 2021 (zusammen mit Monika Wohlrab-Sahr) und das Themenheft „Die Friedensbewegung und der Krieg in Europa – eine Standortbestimmung“, Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 2022. 

Der Vortrag kann im Livestream verfolgt werden: https://tu-berlin.zoom.us/j/66921079151?pwd=UThiZWxYYTYzbjdRZUxXRHU3R0JYZz09 (Meeting-ID: 669 2107 9151, Kenncode: 175790). Ein Mitschnitt ist in unserem Podcast zu finden.

Call for Papers: WITH/OUT IDENTITY. ZUR FRAGE VON IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN IN RAUM, ERBE UND COMMUNITIES 

7. Jahrestagung des DFG-Graduiertenkollegs „Identität und Erbe“
23.-24. November 2023, Bauhaus-Universität Weimar

Der Identitätsbegriff erfährt in verschiedenen Disziplinen eine kritische Bearbeitung und wird inzwischen aufgrund seiner Unschärfe und einer problematischen Tendenz zur Essentialisierung von unterschiedlichen Seiten abgelehnt. Für eine kritische Untersuchung von Identitätskonstruktionen greift die 7. Jahrestagung des DFG-Graduiertenkollegs „Identität und Erbe“ aktuelle und gesellschaftspolitische Aushandlungsdiskurse um Erbe und Raum aus Sicht verschiedener Disziplinen auf.

Die Beiträge sollen eine Redezeit von 20 Minuten nicht überschreiten. Abstracts (max. 300 Wörter) und Lebenslauf werden bis zum 1. Juni 2023 (Einsendeschluss) per E-Mail erbeten an: cfp@identitaet-und-erbe.org.

Den vollständigen Call for Papers finden Sie auf unserer Webseite.

Neuerscheinung: CENSORED? CONFLICTED CONCEPTS OF CULTURAL HERITAGE

Ayşegül Dinççağ Kahveci, Marcell Hajdu, Wolfram Höhne, Darja Jesse, Michael Karpf, Marta Torres Ruiz (Hg.)

Wer danach fragt, wie sich soziale Entitäten auf die Vergangenheit beziehen, der findet umkämpfte Deutungen und Praktiken um ein kollektiv geteiltes Erbe vor. Dissens und Konflikte zwischen den Erbegemeinschaften stellen produktive Momente der Aushandlung von Vergangenheits-, Identitäts- und Erbeentwürfen dar und hinterlassen zugleich Auslassungen, Umschriften und Hinzufügungen. Der Blick auf all jenes, das als negativ oder unerwünscht gilt, was unterdrückt, ausgeschlossen, abgelehnt oder verhindert wird, offenbart neue Perspektiven: Er enthüllt wie sich soziale Gruppen über konkrete Identitätsvorstellungen formieren, lässt Narrative hervortreten, verfolgt die Aktualisierung der materiellen Formationen immaterieller Erbekonstruktionen.
Die hier versammelten Beiträge widmen sich konfliktbeladenen Erbeprozessen in Geschichte und Gegenwart. Sie setzen sich mit Mechanismen der inkludierenden und exkludierenden Aushandlung von Identität und Erbe anhand des titelgebenden Begriffes der Zensur auseinander. Zensur meint hier weniger ein Instrument der Kontrolle und Repression, als vielmehr ein diskursives Instrument in öffentlichen Debatten. Gegenwärtig wird von Zensur vor allem dann gesprochen, wenn der Umgang mit einem kulturellen Erbe kritisch beleuchtet oder gegen Kritik immunisiert werden soll. Die Autor:innen verfolgen die Verbindungslinie zwischen Identität und Erbe, indem sie nach der Teilhabe an kollektiven Erbeprozessen und zeigen, wie sich Konstruktionen von Identität nicht nur im Erbe manifestieren, sondern zugleich am Erbe ausgehandelt werden.

Mit Beiträgen von Anna Ainio, Arnold Bartetzky, Rachel Győrffy, Nasima Islam, Irakli Khadavgiani, Jochen Kibel, Friederike Landau-Donnelly, Kristina Leko, Patricia Lenz, Nnenna Onuoha, Lukas Rathjen, Natalie Reinsch, Anatol Rykov, Niloufar Tajeri und Klara Ullmanova.

Der Band 4 der Schriftenreihe des DFG-Graduiertenkollegs 2227 „Identität und Erbe“ ist im Buchhandel erhältlich (180 Seiten, 28 Abbildungen in Farbe zum Preis von 28,00 €) und erscheint im November 2023 als Open Source.

ISBN:978-3-95773-304-7

DFG-Graduiertenkolleg 2227 »Identität und Erbe«
 
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Architektur und Urbanistik
 
Wissenschaftliche Koordination:
Dr. Wolfram Höhne
99423 Weimar, Marienstr. 9 (Raum 105)
Tel. +49 (0) 3643 - 583139
wolfram.hoehne@uni-weimar.de
Unsubscribe   |   View this E-Mail in your Browser