WOLFGANG ERNST (BERLIN): TECHNOLOGIEN DER WISSENSTRADITION, UND DER TECHNOLÓGOS EUROPÄISCHER IDENTITÄT

Kulturelles Wissen tradiert sich nicht allein als “kollektives Gedächtnis”, sondern ist ebenso eine Funktion konkreter Überlieferungstechniken. Technisches Kulturgut stellt in diesem Rahmen eine ebenso materielle wie logische Verkörperung spezifischer Wissensweisen dar.

Der Vortrag fokussiert daher nicht so sehr diskursiven Erinnerungs- und Geschichtspolitiken, sondern diverse nondiskursive (Kultur-)Techniken und Agenturen der Wissensspeicherung und -übertragung. Kulturelles „Erbe“ wird damit nachrichtentechnisch als Signal- und Datenempfang beschreibbar, und medienarchäologisch in konkreten materiellen Dispositiven fassbar (technisches Kulturgut). In einem zweiten Schritt werden solche Technologien ihrerseits nicht nur als Agenten, sondern auch als Gegenstand kultureller Tradition verstanden. Technische ebenso wie logisch-diagrammatische Denk- und Handlungsweisen lassen sich als wesentlich als Inbegriff (Hard- und Software) europäischer Identität bestimmen. Methodisch oszilliert diese medienarchäologische Herangehensweise zwischen dem Archiv im Sinne einer non-narrativen Gedächtnisinstitution und l’archive im apriorischen Sinne Foucaults.

Wolfgang Ernst ist Ordentlicher Professor für Medientheorien an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er wurde 1990 im Fach Geschichtswissenschaft promoviert und habilitierte sich 2002 mit einer venia legendi für Kulturwissenschaft und Medienwissenschaft. Nach diversen externen Gastprofessuren begründete er an der Humboldt-Universität zu Berlin das Seminar für Medienwissenschaft.
Nach seiner Transformation vom Historiker zum Medienarchäologen widmet er sich in Forschung und Lehre vornehmlich mikrotemporalen und sonischen Medienprozessen sowie innertechnischer Eigenlogik und Eigenzeit. Aktuell erkundet er den Technológos medienkulturellen Wissens.

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