RINGVORLESUNGSREIHE „IDENTITÄT UND ERBE“
LECTURE SERIES "IDENTITY AND HERITAGE"

Tuesday, 15.06.2021 | 18.30 (CEST)

Timothy Ingold: The World in a Basket

For most of human history, generations were understood to overlap and to twist around one another longitudinally like the fibres of a rope. Increasingly today, however, successive generations are likened to strata, layered horizontally over one another.

As a result, crafts once learned in everyday practice can be passed on only insofar as they can be represented in the form of algorithms which are transmissible independently of their lifetime achievement. What cannot be transmitted drops out. Among crafts on the endangered list is basketry. In this chapter I show that basketry is no mere technique but a life process through which not only things but also people and their provisions are as much grown as made. The basket, like the human community, is all-in-one. To restore baskets to life, I argue, means rethinking the passage of generations. It means imagining a society in which the curiosity of the young and the wisdom of the elderly can once again come together, looping the past through the eyes of the present in the making of a common world. The contemporary production of heritage, however, breaks the loop. The practice of the basket has given way to the logic of the algorithm. If life and feeling are to be revived in a world in which both are vulnerable to algorithmic decomposition, we need to bring the practice back.

 

Dienstag, 15.06.2021 | 18.30 Uhr

Timothy Ingold: Die Welt eines Korbes

Nahezu in der gesamten Menschheitsgeschichte waren die Generationen in ihrer Folge miteinander verwoben wie die Fasern eines Seiles. Heute scheinen die Generationen jedoch einander wie Schichten zu überlagern. Das hat unter anderem zur Folge, dass ein Handwerk nicht mehr im Zuge eines täglichen Prozesses vermittelt wird. Stattdessen wird es in Algorithmen repräsentiert und nur noch dann weitergegeben, wenn auf den lebenspraktischen Nachvollzug verzichtet werden kann. Was sich nicht übersetzen lässt, geht verloren. Zur Liste der bedrohten Handwerkskünste zählt auch die Korbmacherei. In meinem Vortrag zeige ich, dass die Korbmacherei weniger eine Technik, als vielmehr eine Lebenspraxis ist, in der nicht die Dinge selbst, sondern das Vermögen der Menschen eine mächtige Rolle spielt, in der es hauptsächlich um ein Zusammenfinden geht und weniger am das Machen selbst. Der Korb gleicht der menschlichen Gemeinschaft. Meine These ist, dass das Flechten eines Korbes, den Nachvollzug des Wechsels der Generationen bedeutet. Es bedeutet, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der die Neugierde der Jungen und die Weisheit der Älteren zusammenkommen und die Vergangenheit, durch die Augen der Gegenwart gesehen erneut in die Gestaltung einer gemeinsamen Welt einfließen kann. Im heutigen Verständnis von Kulturerbe ist dieser Zyklus jedoch unterbrochen. Die Praxis der Korbmacherei ist der Logik der Algorithmen gewichen. Wenn Lebendigkeit und Gefühle in einer Welt algorithmischer Zersetzung wiederentdeckt werden sollen, müssen wir die Praxis zurückbringen.

 

Timothy Ingold, geboren 1948, zählt zu den renommiertesten Stimmen der zeitgenössischen Anthropologie. Er ist emeritierter Professor für Anthropologie an der University of Aberdeen, an der er von 1999 bis 2018 lehrte. Nach seinem Studium der Sozialanthropologie promovierte Ingold 1976 an der Universität Cambridge. Von 1974 bis 1990 war Ingold als Dozent an der Universität Manchester tätig, wo er 1990 zum Professor und 1995 zum Professor für Sozialanthropologie ernannt wurde. Er hält die Ehrendoktorwürde der Universität von Lappland in Rovaniemi, sowie die Ehrendoktorwürde in Philosophie von der Leuphania Universität in Lüneburg. Zur Exemplifizierung seiner theoretischen Arbeit zu Technologien und Lebensumständen in der Polarregion, zu Evolutionstheorie, Sprache, Werkzeuggebrauch und Umweltwahrnehmung unternahm er zahlreiche Feldforschungen nach Lappland. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten beleuchtet er die Schnittstellen von Anthropologie, Archäologie, Kunst und Architektur. Seine jüngsten Arbeit widmet sich der Verbindung von Umweltwahrnehmung und Lebenspraxis. Ingold stellt dabei den Modellen der genetischen und kulturellen Übertragung, die auf der Allianz von neodarwinistischer Biologie und Kognitionswissenschaft beruhen, einen relationalen Ansatz entgegen und konzentriert sich dabei auf das Wachstum von verkörperten Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeiten innerhalb sozialer und umweltbezogener Entwicklungskontexte.

 

Der Vortrag findet in englischer Sprache statt.

 

Um online an der Vorlesungsreihe teilzunehmen, senden Sie bitte eine Email an: anmeldung@identitaet-und-erbe.org. Sie erhalten dann den Zugangslink zur Videokonferenz (Plattform Zoom), unter dem Sie alle Ringvorlesungen des Sommersemesters verfolgen können. Zudem können im Audio-Archiv des Graduiertenkollegs viele Vorträge der seit 2016 stattfindenden Reihe nachgehört werden.

Weitere Vorträge dieser Reihe:
22. Juni, Stefan Berger (Bochum): Erinnerung an Industrialisierung und Deindustrialisierung im globalen Vergleich – Industriekultur und ihre Erzählungen | 6. Juli, Oliver Sukrow (Wien): Alternative Spaces of Innovation: Spa Towns as Architectures and Landscapes of Health | 13. Juli, Arnold Bartetzky (Leipzig):  Erbe ohne Erben. Baudenkmäler nach Zwangsmigrationen zwischen Zerstörung, Verdrängung und Aneignung

Ausführliche Informationen zu allen Vorträgen finden Sie unter: 
https://www.identitaet-und-erbe.org/category/veranstaltungen/semestertermine/

DEADLINE VERLÄNGERT BIS 15. JUNI
CENSORED? CONFLICTED CONCEPTS OF CULTURAL HERITAGE

Die Jahrestagung des Kollegs findet vom 25.-26. November 2021 in Weimar statt (bei pandemiebedingten Einschränkungen online).

Die Begriffe und Kategorisierungen als ›Cancel-Culture‹, ›Political Correctness‹, ›Call-Out-Culture‹ und ›Zensur‹ bestimmen die Kulturdebatten der Jahre 2020/2021. Das zeigen beispielsweise die Auseinandersetzungen über Forschungs- und Meinungsfreiheit wie auch die Diskussionen über Erinnerungsorte, Denkmalstürze und museale Ausstellungspraktiken. Als im vergangenen Jahr im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA, England und Belgien Statuen von Generälen der Konföderation und Menschenhändlern angegriffen wurden, sahen sich die Protestierenden mit dem Vorwurf der Zensur, des Moralismus und des Bilderverbots konfrontiert. Ähnliche Schlagworte kursierten 2018, nachdem #MeToo eine kritische Neubewertung von öffentlich ausgestellten Kunstwerken ausgelöst hatte und weltweit mehrere Ausstellungen geschlossen oder verschoben und einzelne Exponate abgehangen wurden.
Das Ziel der Konferenz ist es, einen Beitrag zum Verständnis und zur Historisierung von Zensurdebatten, ihren Entstehungskontexten, ihrer Verbreitung, den beteiligten Akteur*innen wie auch den mit den Zensurdebatten verbundenen Argumentations- und Wahrnehmungsmustern zu leisten. In diesem Sinne wünschen wir uns Beiträge, die sich Zensur aus diskurs-, konflikt-, mediengeschichtlicher und/oder theoretischer Perspektive widmen. Wir streben einen aktiven Austausch unter den Teilnehmenden an und freuen uns über Einreichungen aus unterschiedlichen Forschungszugängen und -disziplinen. Die Beiträge sollen eine Redezeit von 20 Minuten nicht überschreiten. Abstracts (300 Wörter) und CV werden bis zum 15.06.2021 per E-Mail erbeten an: cfp@identitaet-und-erbe.org Weitere Informationen zur Ausschreibung finden Sie unter: https://www.identitaet-und-erbe.org/cfp-censored/

CALL FOR PAPERS: »CENSORED? CONFLICTED CONCEPTS OF CULTURAL HERITAGE«

5-th Annual Conference of the research training group 2227 »Identity and Heritage« | 25-th and 26-th November 2021 | Weimar (In the case of pandemic-releated restrictions, the conference will take place online.)

The terms and categorisations of ‘cancel-culture’, ‘political correctness’, ‘call-out-culture’ and ‘censorship’ define the cultural debates of 2020/2021. This is shown, for example, in the debates about freedom of research and freedom of expression as well as in the discussions about places of remembrance, the toppling of monuments and museum exhibition practices. When, in the wake of the Black Lives Matter movement, statues of Confederate generals and human traffickers were attacked in the US, England and Belgium last year, protesters found themselves confronted with accusations of censorship, moralism and image repression. Similar taglines circulated in 2018 after #MeToo triggered a critical re-evaluation of publicly exhibited artworks and the closure or postponement of several exhibitions worldwide as well as the removal of individual exhibit pieces.
The aim of the conference is to contribute to the understanding and historizisation of censorship debates, the contexts from which they emerged, their dissemination, the actors involved, as well as associated patterns of argumentation and perception. To this end, we would like to receive submissions that focus on censorship from discourse-, conflict- and media- historical and/or theorical perspectives.
We call for contributions that critically engage with the questions and theses presented. We aspire to an active exchange between the participants and welcome submissions from diverse research directions and disciplines. The contributions should not exceed a speaking time of 20 minutes. Abstracts (300 words) and CVs are requested by 15.06.2021 by email to: cfp@identitaet-und-erbe.org. Further informations: https://www.identitaet-und-erbe.org/cfp-censored/

DFG-Graduiertenkolleg 2227 »Identität und Erbe«

Sitz:
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Architektur und Urbanistik
99423 Weimar, Geschwister-Scholl-Str. 8 (Raum 027)
Tel. +49 (0) 3643 - 583139
Email: wolfram.hoehne@uni-weimar.de
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