RINGVORLESUNG AM 7.12.2021 IN WEIMAR *** FÄLLT AUS ***

Zu unserem großen Bedauern muss die Ringvorlesung „SORRY CONGO?!“ ON THE PERSONALITY OF ARCHITECTURAL HISTORY IN DEALING WITH CONGO’S COLONIAL PAST von JOHAN LAGAE (GENT) in das kommende Jahr verschoben werden.

Weiterhin sind in unserer Ringvorlesung im Wintersemester 2021/22 zu Gast:
Alfred Hagemann (Berlin, 14.12.) | Alexandra Staub (Online, 11.1.) | Niloufar Tajeri (Erfurt, 18.1.) | Stephanie Herold (Berlin, 25.1.) | Zvi Efrat (Weimar, 1.2.) | Rasmus Greiner (Berlin, 8.2.) | Felix Ackermann (Weimar, 15.2.) Die Vorträge finden an den Standorten des Kollegs in Weimar, Berlin, Dessau und Erfurt oder im digitalen Format statt. Zudem können sie in unserem Podcast nachgehört werden. Weitere Informationen unter: https://www.identitaet-und-erbe.org/category/veranstaltungen/semestertermine/

NEUE KOLLEGIAT:INNEN STELLEN SICH VOR

AINE RYAN (WEIMAR)

promoviert bereits als assoziierte Kollegiat:in zum Thema MAPPING THE IRISH HANDBALL ALLEY TO REVEAL A RURAL SPATIAL LOGIC in unserem Kolleg. Ab dem 15.12.2021 tritt sie eine Stelle als Mitarbeiterin der Bauhaus-Universität Weimar an.

Wie sind Sie zu Ihrem Dissertationsthema gekommen?

Was die zugrundeliegende Motivation betrifft, so entwickelte sich mein Dissertationsthema aus meiner Praxiserfahrung in Architektur und Raumplanung. Es entspricht einer Erkenntnis, die ich bereits während meines Studiums und immer wieder in meiner beruflichen Praxis gewonnen habe: Die räumlichen Weisen, in denen das Leben auf dem Lande funktioniert und tagtäglich erlebt wird, werden von den professionellen Instrumenten und Konzepten zur Planung und Entwicklung ländlicher Siedlungen nicht ausreichend erfasst. Was die konkrete Untersuchung betrifft, so entwickelte sich mein Thema aus einem Projekt über eine über mehrere hundert Jahre hinweg in der irischen Landschaft errichtete Ballcourt-Typologie und einer Vermutung, dass diese Strukturen Hinweise auf jene räumlichen Weisen geben, die vom professionellen Blick noch nicht gesehen oder gesucht werden. Meine Dissertation wendet sich der Theorie über ungeplante Landschaften und Alltagspraxis zu, um Konzepte und Terminologie zu identifizieren, die nicht-urbane Siedlungen in einem landschaftlichen Kontext beschreiben könnten, und illustriert und erweitert dies mit 450 Beispielen der Ballcourt-Typologie.

Welche Inspirationen nehmen Sie aus dem Kollegthema „Identität und Erbe“ mit?

Bisher habe ich mich von dem Potenzial dieses Themas für wissenschaftliche Untersuchungen inspirieren lassen. Mit „Erbe“ als konzeptionellem Untersuchungsobjektiv konnte ich meine Forschung so gestalten, dass sie über die Materialität der Handballbahnen hinausgeht und die sozial-räumlichen Praktiken des täglichen Lebens als das Erbe betrachtet, das von Generation zu Generation und möglicherweise zwischen zwei Gesellschaften (der einheimischen und der kolonialen) weitergegeben wird. Zweitens unterstützt die „Erbe-Identitäts-Beziehung“ eine nuancierte Sicht auf die Vergangenheit, die mit diesen Praktiken verbunden ist. Die Ballspielplätze – in Irland ‚handball alleys‘ genannt – können mit weitreichenden Momenten der Identitätsbildung in Verbindung gebracht werden: von der vorreflektierten, verkörperten Zugehörigkeit zur Clan-identität über eine sehr bewusste strategische Kontrolle auf lokaler Ebene als Akt kolonialer Macht und kolonialen Widerstands bis hin zum wertgeladenen symbolischen Ausdruck des frühen irischen Freistaats und zurück zu einem vorreflektierten Vergessen all dieser Vergangenheiten.  Da das Erbe sowohl das Greifbare als auch das Ungreifbare umfasst, wird nicht-standardisierten wissenschaftlichen Quellen, die mit populärer, volkstümlicher oder traditioneller Architektur in Verbindung gebracht werden, mehr Bedeutung beigemessen als anderen Studien- und Forschungsbereichen, und es profitiert wiederum von den alternativen konzeptionellen Auffassungen von Raum, Zeit und Geschichte, die diese Quellen schaffen. 

Welche aktuellen Debatten spiegeln sich in Ihrem Thema wider?

In meinem Thema spiegelt sich die Debatte um Formen des nicht-repräsentativen Raums wider, die allerdings vor allem im akademischen Bereich geführt wird - zum Beispiel im DFG-geförderten Sonderforschungsbereich „Re-Figuration von Räumen“ der Technischen Universität Berlin. Diese Debatte fordert Konzeptualisierungen und Kommunikationen des Raums, durch die man die Raumerfahrung besser erfassen/aufnehmen kann als mit kartesisch-basierten Kartografien. Eine zweite aktuelle Debatte betrifft postnationalistische (in diesem Fall auch postkoloniale) Narrative der Vergangenheit. Im Vorfeld des 100-jährigen Jubiläums des irischen Freistaats im Jahr 2022 und des irischen Handballrats im Jahr 2024 bieten die erforschten raum-zeitlichen Narrative Alternative zu etablierten chronologischen, ereignisbasierten Erzählungen.

PABLO SANTACANA LÓPEZ (DESSAU)

begann im Mai 2021 seine Dissertation mit dem Thema PARA-ENACTMENTS: SOFTCORE-HISTORICISM UND IMMERSIVE DARSTELLUNG ALS RÄUMLICHE PRAXIS an der Fachhochschule Erfurt, die gemeinsam mit der Hochschule Anhalt 2021 als Partnerinstitution zum Graduiertenkolleg hinzu kam.

Was ist das Thema Ihrer Disseration?

Reenactments sind öffentliche Aktivitäten, bei denen Teilnehmer*innen Aspekte eines historischen Ereignisses oder Zeitraums zu Freizeit- und/oder Bildungszwecken nachstellen. Sie sind zu einem wiederkehrenden Vehikel geworden, um historische Narrative durch ihre kollektive Inszenierung im öffentlichen Raum zu repräsentieren und zu validieren. Die Definition von Reenactment auf ein erweitertes Format der erfahrbaren historischen Repräsentation anwendend, schlägt meine Dissertation den Begriff Para-Enactment vor. Die Arbeit setzt sich mit historisierenden Formen der Wissensproduktion auseinander, die aus der Kunst (performativ und relational), der Populärkultur (Historical Fairs, Reenactments, Themenparks) und Bottom-up-Initiativen (Community-Museen) stammen. Untersucht werden konkrete Beispiele aus europäischen und lateinamerikanischen Kontexten. Im Hinblick auf die Identifizierung solcher Praktiken als künstlerische Prozesse, die mit Symbolik und Imagination arbeiten, wird dieser Historismus als Softcore definiert und dem Begriff des Hardcore-Historismus gegenübergestellt, der eine wiedergewonnene Authentizität anstrebt, die mit dem (vermeintlich) Realen arbeitet. Ziel der Forschung ist es, die Fälle zu definieren, in denen Prozesse der Kommodifizierung des kollektiven Gedächtnisses dissidente Handlungsfähigkeit in konsensuale Ohnmacht verwandelt haben und die Bedingungen zu bestimmen, unter denen ein widerständiges, politisch engagiertes Para-Enactment entsteht.

 

Welche interdisziplinären Forschungsansätze beeinflussen Sie?

Meine Arbeit als Wissenschaftler und Künstler fragt nach den Prozessen der Darstellung von Vergangenheit und deren Einflussnahme auf unsere kollektive Identität. Sowohl Identität als auch Erbe sind für mich grundlegende Fragen, anhand derer ich die politischen und sozialen Formen untersuche, die uns charakterisieren, zuordnen und anhand derer ich andere Formen der politischen Vorstellungskraft vorschlagen möchte. In meiner Dissertation untersuche ich all diese Fragen aus einer hybriden Perspektive, die meinen Hintergrund als Architekt, Künstler und Kulturmanager in Verbindung mit sozialen Bewegungen kombiniert. Das Thema meiner Dissertation umfasst die Bereiche Erinnerungsforschung, kritische Geografie, Queer Studies und Performance.

 

Welche aktuellen Debatten spiegeln sich in Ihrem Thema wieder?

Meine Dissertation befasst sich mit der Frage, welche Rolle Erhaltung und Bewahrung sowohl bei der Definition und Sicherung von immateriellen Erbe, als auch bei der Legitimierung neuer bzw. zeitgenössischen kultureller Traditionen und Praktiken wie der historischen Nachstellung (Reenactment) spielen. Ausgehend vom Reenactment und seinen verschiedenen Varianten untersuche ich die Rolle solcher Praktiken im Kontext von sozialen Bewegungen, insbesondere im Hinblick auf die Aneignung des kollektiven historischen Gedächtnisses durch rechtsextreme und neokonservative Bewegungen.

 

Wie lassen sich Ihre Erfahrungen aus früheren Tätigkeiten in das Projekt einbringen?

Mein Interesse an der performativen Geschichtsschreibung entstand im Laufe meiner persönlichen Erfahrungen als Künstler innerhalb des Kollektivs vendedores de humo. Dort arbeiten wir regelmäßig künstlerisch an der Gestaltung von (neuen) Traditionen und der Einflussnahme auf das kollektive Gedächtnis durch Rekonstruktionen und Nacherzählungen. Seit 2017 führe ich eine umfangreiche Recherche durch, die darauf abzielt, ein bestimmtes Ereignis der jüngeren spanischen Vergangenheit nachzuerzählen. Ich habe diese Forschung in einen akademischen Kontext innerhalb meines früheren Studiums am Institut für Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin eingebettet und dies hat sich zu meinem aktuellen Dissertationsprojekt entwickelt. 

DFG-Graduiertenkolleg 2227 »Identität und Erbe«
 
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Architektur und Urbanistik
 
Wissenschaftliche Koordination:
Dr. Wolfram Höhne
99423 Weimar, Marienstr. 9 (Raum 105)
Tel. +49 (0) 3643 - 583139
wolfram.hoehne@uni-weimar.de
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