Andrijana Ivanda & Tobias Hönig (c/o now, Berlin):
(Ex-)Yu – Räume und Architekturen als Träger nationaler Erzählungen

Sommer oder im Herbst – eine der schönsten Ansichten von Ljubljana. Es sieht aus wie in Paris. Grüne Blätter etc., schöne alte Häuser an beiden Ufern. Nichts Besonderes. Aber da irren Sie sich! Dieser Fluss hier ist die offizielle, geografische Grenze zwischen dem Balkan und Mitteleuropa. Also Vorsicht! Dort drüben: Horror, orientalischer Despotismus, Frauen werden geschlagen und vergewaltigt und mögen es. Auf dieser Seite: Europa, Zivilisation, Frauen werden geschlagen und vergewaltigt und mögen es nicht. Also: Balkan – Mitteleuropa. Nicht vergessen!“ (c/o now in: ARCH+ 2019 (235), S. 90)

Die Auseinandersetzungen mit Städtebau und Architektur des zweiten Jugoslawiens und damit mit den kulturellen, sozialen und ökonomischen Produktionsbedingungen einer spezifischen Spielart der Moderne in diesen Disziplinen, die so ihresgleichen sucht, ist ein ständig wiederkehrender Begleiter der Arbeit von c/o now. Wiederholt hat c/o now dabei auch den Versuch unternommen (post-)jugoslawische Räume betont vor dem Hintergrund ihrer kolonialen Geschichte zu lesen. Der Nationalismus war dabei das Herrschaftsinstrument, um diese Territorien zu kontrollieren und schließlich auch der Spaltkeil mit dem das Zweite Jugoslawien, als Versuch dessen Ideologien zu überwinden, auseinandergetrieben wurde. Im Rahmen des Vortrages werden c/o now verschiedene räumliche und architektonische Phänomene in (Ex-)Jugoslawien vorstellen, den Versuch unternehmen sie vor dem Hintergrund mit ihnen von außen wie innen verbundener nationaler Mythen und historischer Fakten lesbar zu machen, um sie in die europäische Gegenwart einordnen zu können.

c/o now ist ein in Berlin gegründetes und tätiges Architekturbüro, das sich an kollektiven Praxen orientiert. Neben der Tätigkeit als planende und bauende Architekt:innen, beschäftigen sich Tobias Hönig, Andrijana Ivanda, Markus Rampl, Paul Reinhardt, Duy An Tran, und Ksenija Zdešar auch mit kritischen Reflexionen der Disziplin, in der sie arbeiten. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzungen wurden wiederholt publiziert, u.a. auch in der von c/o now mitherausgegebenen Publikation „Bayern, München. 100 Jahre Freistaat. Eine Raumverfälschung“ (herausgegeben von Stephan Trüby, Verena Hartbaum, University of Looking Good, c/o now, Wilhelm Fink Verlag 2019). Darüber hinaus ist c/o now fortlaufend in die Lehre an Hochschulen eingebunden wie derzeit mit einer Gastprofessur an der Kunstuniversität in Linz.

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Raum Bib 014

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