Karolina Hettchen & Monique Jüttner (Cottbus): »Unterdenkmalstellung – eine Praktik des guten Wohnens? Zwei Berliner Siedlungen im Vergleich«

Im europäischen Raum wird der Umgang mit den Großwohnsiedlungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert intensiv und kontrovers in den Fachkreisen von Architekten, Stadtplanern, Denkmalpflegern, aber auch in den Stadtverwaltungen und Wohngesellschaften diskutiert. (Eckardt et al. 2017; Buttlar et al. 2007; Snopek 2014; Koolhaas et al. 2014; Escherich 2012 u.a.) Europaweit gibt es unterschiedliche Ansätze des Umgangs mit den großräumigen Strukturen der Nachkriegsmoderne, die von der Zuschreibung von Denkmalunfähigkeit (Mager 2017) bis zu neuen Unterdenkmalschutzstellungen weit gefächert sind. Im Fokus der meisten Erbe-Bewertungsmethoden stehen vorwiegend historische und architektonisch räumliche Aspekte, während die Menschen, die in den denkmalgeschützten Ensembles leben, kaum berücksichtigt werden. Es muss also das Ziel sein, die üblichen Perspektiven auf das Erbe um die Aspekte des alltäglichen Lebens zu erweitern und sie mit sich im Laufe der Zeit verändernden Narrativen der Bewohner, der Eigentümer oder der Öffentlichkeit zu ergänzen (vgl. Cupers 2013).
Der Beitrag möchte der Frage nachgehen, wie der Prozess der Unterschutzstellung als Denkmal sich auf die Akzeptanz des Wohnortes, die Identitäts- und Nachbarschaftsbildung, die Bindung an den Ort und somit die empfundene Wohnqualität auswirkt. Im Besonderen soll darauf eingegangen werden, wie/ob die Wahrnehmung des Erbes und die Praktiken der Aneignung sich entsprechend kultureller Hintergründe der Bewohner differenzieren. Es sollen zwei zusammenhängende Siedlungen, die im ehemaligen West-Berlin zwischen 1974 und 1982 als sozialer Wohnungsbau erstellt wurden, betrachtet werden. Eine der Siedlungen wurde 2017 unter Denkmalschutz gestellt. Die Fallstudien zeigen ähnliche Bewohnerstrukturen, teilweise einen hohen Anteil an Bewohnern mit Migrationshintergrund und wurden in der Vergangenheit als soziale Brennpunkte bezeichnet. Die Siedlungen sind teilweise durch einen neuerlichen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung zu Beliebtheit und Popularität charakterisiert. Mit Bewohnerinterviews und Medienanalyse geht die Untersuchung Zusammenhängen zwischen dem Denkmalstatus der Siedlungen und der Entwicklung und Wahrnehmung von Wohnqualität nach.