Marc Kellner (Berlin): Die Musealisierung einer Privatsammlung. Provenienzforschung zur Sammlung Alexander Dolezaleks am Deutschen Historischen Museum

Alexander Dolezalek (1914-1999) hat mutmaßlich von 1954 bis zu seinem Tod in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Vlotho eine private Sammlung historischer Dokumente zusammengetragen. Das von ihm als »Dokumentenkabinett europäischer Geschichte, Gegenwart und Zukunftsplanung« bezeichnete Konvolut kam 2002 an das DHM. Nach einer konservatorischen und wissenschaftlichen Bewertung der Sammlung befinden sich heute ca. 20.000 Objekte im Museumsbestand, mit über 40 Objektgattungen in zehn Sammlungsbereichen des DHM (Dokumente, Bücher, Plakate, Numismatika, Graphiken, Postkarten, Tonträger, Abzeichen, etc.). Das derzeitige Forschungsprojekt zur Sammlung Dolezalek untersucht die Biografie des Sammlers, die Entstehung seiner Sammlung und nicht zuletzt die Provenienzen der vorliegenden Objekte. Aktuell ergibt sich das Bild einer enorm facettenreichen Sammlung ohne eindeutigen Fokus. Diese ehemalige Privatsammlung erscheint dabei als zutiefst zeit-, standort- und akteursabhängiger, von Manipulation und Verlust betroffener Wissensspeicher – dessen Identität sich aus dem Vorhandenen wie dem Nicht(mehr)vorhandenen ergibt. Das »Dokumentenkabinett« weist Elemente aus Archiven, Dokumentationen oder (wissenschaftlichen) Sammlungen auf, ohne einer dieser Kategorien zweifelsfrei zugehörig zu sein. Das Schlagwort »Collecting Loss« ist für das Dolezalek-Projekt relevant, weil hier das scheinbar unsystematische

Sammeln von in Umlauf gekommenem Kulturgut thematisiert wird. Ein Status Quo der ursprünglichen Sammlung ist aufgrund der Dynamik ihrer Zugänge und Verluste nur theoretisch rekonstruierbar. Das Fehlen der Eigenüberlieferung des Sammlers (Karteikarten, Korrespondenzen, Belege) lässt sich durch archivische Gegenüberlieferungen seiner Kommunikationspartner ausgleichen – aber auch diese Strategie hat Grenzen. Zudem ist eine Vielzahl noch desiderater Provenienzkontexte erkennbar, deren Beforschung alleine von der Archivrecherche abhängig ist. Nicht zuletzt zeigt sich die Problematik einer oft auf einzelne Kontexte fokussierten Provenienzforschung, die in ihrer modernen Ausrichtung und trotz 20jähriger Tradition noch keinesfalls die Vielfalt musealer Sammlungen widerspiegelt. Erste Ergebnisse zeigen bereits, dass eine wissenschaftliche Beforschung der Sammlung Dolezalek zwingend notwendig ist. Die Möglichkeiten und Grenzen des Projektes, besonders hinsichtlich seiner archivischen Fundierung, sollen im Mittelpunkt des Beitrags stehen.