Katharina Rotté: Travertinschichten: Geologie und Architektur in Rom (DE)
Travertin ist ein Gestein, das aufgrund seiner Morphologie zum Nachdenken über Geologie anregt: Die charakteristischen Bänderungen sind Spuren der Schichten, in denen dieses Süßwasserkalksediment wächst. In der Stadt Rom begegnet man dieser geologischen Evidenz überall. Der Vortrag nimmt dies zum Anlass, Bauen als geomorphen Vorgang zu beschreiben und die Genese der Stadt Rom allegorisch mit der Petrologie des Travertins zu parallelisieren.
Anhand dreier Bauten aus Travertin – dem Kolosseum, dem Venezia-Komplex und Neu-St. Peter – beleuchtet der Vortrag die geomorphe Dimension der großen Materialumschichtung, die Bauen immer bedeutet. Dazu werden die Provenienzen des Travertins für diese drei Bauten in den Blick genommen und parallel zu den Baugeschichten erzählt. Die Erzählung beginnt beim Acque‑Albule‑Becken unterhalb der antiken Stadt Tibur, des heutigen Tivoli, wo seit dem 3. Jh. v. Chr. Travertin gebrochen wurde. Seinen Höhepunkt erreichte die Travertinverwendung in der Kaiserzeit mit dem Amphitheatrum Flavium, dem heutigen Kolosseum. Dieses wiederum diente als Travertinsteinbruch für den Bau des Viridariums bei der Kirche San Marco, für die Front dieser Kirche und für einen nicht fertiggestellten Innenhof, der zur Kardinalsresidenz von San Marco gehörte und heute als Palazzo Venezia bekannt ist. Es handelte sich bei diesem seit den 1460er-Jahren entstandenen Baukomplex um das erste Bauwerk in der nachantiken Stadt Rom, in dem große Mengen Travertin als Werkstein verbaut wurden. In den folgenden Jahrzehnten entstanden immer mehr Bauwerke aus Travertin in Rom, sodass antike Bauwerke als Travertinsteinbrüche die große Nachfrage nicht mehr stillen konnten. Als dann ab 1506 der größte Kirchenbau der Welt begonnen wurde, der ab den Plänen von 1546 fast vollständig aus Travertin bestehen sollte, erschloss die Dombauhütte die antiken Steinbrüche unterhalb Tivolis neu und suchte im gesamten römischen Umland weitere Vorkommen. Nachdem in einem langen, schwierigen Prozess die Transportwege eingerichtet worden waren, fand eine beispiellose Materialumschichtung vom römischen Umland in die Stadt statt, die ihren Höhepunkt in den Kolonnaden des Petersplatzes fand.
Katharina Rotté ist Architekturhistorikerin. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Postdoc) an der Professur für Kunst- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit mit dem Schwerpunkt Italien der Freien Universität Berlin. Von 2019 bis 2023 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Graduiertenkollegs „Identität und Erbe“ in Weimar. Zuvor arbeitete sie von 2017 bis 2019 als wissenschafliche Hilfskraft bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Bonn. Sie studierte in Tübingen, Rom, Bonn und Florenz Kunstgeschichte, Rhetorik, Internationale Literaturen und Renaissance-Studien. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit dem zunehmenden Gebrauch des Natursteins Travertin im frühneuzeitlichen Bauwesen in Rom. Ihre Arbeit wurde unter anderem durch den DAAD, die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, das Zentralinstitut für Kunstgeschichte München und die Bauhaus Research School gefördert. 2025 wird ihre Dissertation mit dem Theodor-Fischer-Preis für herausragende Forschungsarbeiten zur Architekturgeschichte ausgezeichnet. Ihr primäres Forschungsinteresse ist die Intersektion von Technik und Entwurf in der Architektur. Hierin verbindet sich ihr Dissertationsprojekt mit ihrem neuen Projekt zur industriell hergestellten Bauornamentik im 19. Jahrhundert.
TU Berlin
Str. des 17. Juni 152
Raum 815, Architekturgebäude
Beginn: 18.30