Inge Manka (Wien): »Diskurs statt Heilung. Zu den Chancen, die Gestaltung von Erinnerungsorten nicht nur als (Er-) Lösungsinstrument zu sehen.«

Es gibt ein bauliches Erbe, vor dem Institutionen der öffentlichen Hand regelrecht Angst zu haben scheinen.  Braunau 2020: Die Jury des von der Bundesimmobiliengesellschaft geladenen Architekturwettbewerbs entscheidet sich für den Entwurf von Marte.Marte Architekten. Deren Illustration spricht Bände: Ein blondes Mädchen lässt Drachen steigen vor dem nun in den unschuldigen Zustand des 17. Jahrhunderts zurückrenovierten Geburtshaus Hitlers. Laut einem Zeitungsbericht hätten sich die Bewohnerinnen Braunaus allerdings für einen ganz anderen Entwurf ausgesprochen. Auch in den 2018 von Architekturstudierenden der TU Wien am Ort durch- geführten Projekten war nichts zu spüren von der angeblichen Müdigkeit der örtlichen Bevölkerung, sich mit dem Thema zu befassen.  Nürnberg 2020: Am ehemaligen Reichsparteitagsgelände sollen Zeppelin- tribüne und -feld in den nächsten Jahren um mindestens 80 Millionen Euro »trittfest« gemacht werden, und damit ebenfalls in eine weiße »Lösung« münden. Zivilgesellschaftliche Aktivitäten, z.B. von BauLust, einem Verein für Architektur und Öffentlichkeit, eine öffentliche Diskussion zu initiieren, wurden von der Stadt Nürnberg, der Eigentümerin des Geländes, bestenfalls geduldet. Der herausragende Umgang mit der NS-Vergangenheit wurde dagegen als besonderes Asset in den Bewerbungsprozess zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 eingebracht. Von der Jury wurde allerdings die fehlende aktuelle wie internationale Auseinandersetzung kritisiert. Lehrveranstaltungen mit Architekturstudierenden an beiden Orten zeigten, dass in den zuständigen öffentlichen Stellen eine sehr eindimensionale Vorstellung von der Rolle von Gestaltung bei der zeitgenössischen Ausformung von NS-Erinnerungsorten vorherrscht. Diese soll eine eindeutige, öffentliche Diskussionen vermeidende Lösung hervorbringen – Heilung sozusagen. Demgegenüber steht meine These, dass eine geänderte Rolle von Architektur und Kunst bei der gestalterischen Ausformulierung von Erinnerungsorten helfen könnte, partizipative und inklusive Projekte zu entwickeln, die die Diskussion an als »schwierig« wahrgenommenen Erinnerungsorten aktiv fördern statt zu verhindern suchen. Ein geänderter Fokus würde die »Schwierigkeit« als positive Herausforderung sehen statt als Wunde, die es zu heilen gilt. Design als kritisches Instrument des Erinnerns statt als Erfüllung vorformulierter Ansprüche. Dafür müssten die Erinnerungorte aber dezidiert als öffentlicher Raum aufgefasst werden. Architektinnen und Künstler*innen wären aufgerufen die Aufgabenstellungen kritisch zu hinterfragen statt beruhigende Lösungen bereitzustellen.