Jochen Kibel (Berlin): Identität durch iterative Nicht-Identität? Der instabile Kollektivierungsdiskurs der Bundeswehr und seine Verräumlichung im Militärhistorischen Museum in Dresden

Das zeitkonstitutionelle Dilemma der Bundeswehr besteht darin, sich einerseits von einem umfangreichen Repertoire nicht identifikationsfähiger Vergangenheiten distanzieren zu müssen, wobei gleichzeitig ein Identitätsangebot artikuliert werden muss. Im Kontext der Debatte um die Umgestaltung des Leitmuseums der Bundeswehr lässt sich dabei empirisch zeigen, dass trotz der expliziten Thematisierung historischer Diskontinuitäten Vorstellungen von Kontinuität und Kohärenz diskursiv hergestellt werden können. Indem die Vergangenheit zu einem negativen Referenzpunkt der Selbstthematisierung wird, erscheint anhaltende Selbst-Negation als geboten. Dabei wird nicht mehr positiv ein fester Wesenskern bestimmt (im Sinne eines »So-sind-Wir«), sondern dieser negativ immer wieder neu bestimmt (im Sinne eines »so-sind-Wir-nicht (mehr)«). Indem dieser Modus in anhaltenden Negationen auf sich selbst zurückkommt (Schimank), werden schließlich Werte wie Kritik, Reflexivität und Wandlungsfähigkeit selbst als der Bundeswehr eigentümliche Traditionen historisiert. So gelingt es nicht nur die Vergangenheit auf Abstand zu halten, sondern auch eine dynamische Traditionsbildung zu etablieren, die durch anhaltende Kurskorrekturen ein Gleichbleiben im dynamischen gesellschaftlichen Wandel verspricht.