Wolfgang Kil (Berlin): „Vom Wert der Denkmäler nach dem Bildersturm“. Über Kriegsgedenken in der Sowjetunion jenseits des Heldenruhms: Trauer als Bildgegenstand

Technische Universität Berlin
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Die Auflösung der Sowjetunion liegt jetzt über ein Vierteljahrhundert zurück, doch entgegen aller Erwartung hat der zeitliche Abstand die ererbten Konflikte kaum gemindert.

Während sich Ökonomie und Staatlichkeit mit viel Kraftaufwand transformieren ließen, hat eines der gravierendsten gesellschaftlichen Experimente der UdSSR – ihre Konstruktion als Vielvölkerreich – sich im Nachhinein als schwere Hypothek erwiesen: In den neu gegründeten Nationalstaaten waren und sind umfängliche Volksgruppen aus anderen Teilen der einstigen Union zu integrieren – ohne dass es dafür positive Ideen einer irgendwie multiethnischen Verfasstheit gäbe. Beinahe überall wird stattdessen auf die Durchsetzung nationaler Leitkulturen gepocht. Dabei zeigen sich Erinnerungen und Mythen der Titularnation und ihrer „Minderheiten“ oft als diametral gegeneinander gerichtet. Vor allem im Blick auf den II. Weltkrieg und dessen Folgen scheint – etwa im Baltikum oder der Ukraine – die Suche nach verbindenden Narrativen schier aussichtslos. Anstatt an Brückenschlägen gemeinsamer neuer Identitäten zu arbeiten, kam es zur kulturellen Verfestigung rivalisierender Geschichtsbilder – ein Konfliktpotenzial, das die noch kaum stabilen Zivilgesellschaften enorm belastet. Nicht zuletzt leidet darunter der praktische Umgang mit den Hinterlassenschaften der umstrittenen Periode. Wie geht man mit den Städten, manchen Häusern und – immer wieder für Schlagzeilen tauglich – mit den Denkmälern um? Bewahren und pflegen? Oder abräumen und vergessen?

Wolfgang Kil (Jg. 1948) hat Architektur in Weimar studiert, danach als Architekt in Ostberlin gearbeitet, war 1978-82 Chefredakteur einer Bauzeitschrift und danach bis zur Wende freiberuflicher Kritiker und Publizist. Nach erneuter Redakteurstätigkeit bei der Bauwelt (Berlin) schreibt er seit 1995 als freier Autor über Architektur und Stadt, Lebensweise und Geschichte, in den letzten Jahren zunehmend mit Fokus auf Ostdeutschland und Osteuropa. Kil erhielt 1997 den Kritikerpreis des Bundes Deutscher Architekten BDA und ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. Er lebt in Berlin. Eine Liste seiner Publikationen findet sich unter www.wolfgang-kil.de