Moscheegemeinden auf dem Weg in die Postmigration – Aushandlungsprozesse von Tradition, Transformation und Identität (DE)

Moscheegemeinden in Deutschland sind durch ihre migrantische Emergenz spezifische Räume (post-)migrantischer Identitätsaushandlung. Hier verdichten sich Identitätsdiskurse in einem vielschichtigen und komplexen Feld, welche durch ambivalente Erwartungshaltungen von innerer (Community) und äußerer (Mehrheitsgesellschaft) Sphäre konstituiert werden. Innerhalb dieser Dynamiken entwickelten sich Moscheegemeinden zu multifunktionalen Zentren des religiösen, kulturellen und sozialen Lebens. Sie entfalten ihre Relevanz sowohl durch physische als auch transnationale Räumlichkeit – sie sind Räume der Gleichzeitigkeit von Sakralem und Profanem, Räume der Aushandlung zwischen Generationen und Geschlechtern sowie Räume der Sphärendifferenzen. 
Die Einrichtung erster Moscheen begann durch die 1. Generation von Arbeitsmigrant*innen. In genealogischer Transmission werden die Gemeinden von deren Kindern, Enkeln und teilweise schon der 4. Generation besucht. Somit treffen mit vier Generationen vier verschiedene Sozialisationstypen aufeinander. Das Verhältnis der Generationen wird reflektiert und gelebt, wodurch aktiv auf ein Kulturerbe Bezug genommen wird, welches in einem konjunktiven Erfahrungsraum präsent ist. Retrospektive Reflexionen und prospektive Visionen von Zugehörigkeit und Identität wechseln sich in einem ambivalenten Oszillieren ab und bilden den Orientierungsrahmen für Eigenartszuweisungen. Im Kontext der postmigrantischen und -modernen Gesellschaft führt dies zur Steigerung von Kontingenz. 

Durch die Konstruktion von physischen Räumen werden Positionierungen vorgenommen und der Vision von Identität und Zugehörigkeit Ausdruck verliehen. Architektonische Aspekte sind mit der Positionierung zum Kulturerbe und zum zukünftigen Umgang mit diesem unumgänglich verbunden. Während Moscheegebäude mit Kuppel und Minarett in der öffentlichen Wahrnehmung häufig als Ausdruck der Zurückweisung der Mehrheitsgesellschaft diskutiert werden, können sie im Gegenteil eine endgültige Einbettung in die deutsche Gesellschaft proklamieren. Die räumlich-materielle Selbstverwirklichung ist konstitutiv für die Community, wodurch sie ihr Kulturerbe und ihre Gemeinschaft durch physische Räum stützt. In diesem Kontext werden Zusammenhänge von Raum, Identität und Kulturerbe präsentiert. Es wird diskutiert, wie die Aushandlung von Identität und Alterität in Moscheeräumen gestaltet und welche Raumdimensionen wirksam werden.