Ina Heumann, Tahani Nadim: „Unser Dinosaurier“: Natur als politische Ressource (DE)

Am Beispiel der Dinosaurierfossilien, die zwischen 1909 und 1913 in Tansania (damals Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika) extrahiert und nach Berlin transportiert wurden, zeigt unser Vortrag, wie sich im „Sammeln“ unterschiedliche Gewalt- und Aneignungsformen verbanden.

Der Fokus liegt dabei nicht nur auf der eruptiven und unmittelbaren Gewalt, sondern auch auf strukturellen und subtilen Gewalt- und Aneignungsformen, die durch die Institutionen der Wissenschaft und des Nationalstaats ausgetragen und fortgeschrieben werden. Die Geschichte der Fossilien wird so als eine Geschichte politischer Inanspruchnahmen erkennbar, in der Natur bis in die Gegenwart als Erbe reformuliert wird und so koloniale und nationale Identitäten ausformt. Sie wirft grundlegende Fragen auf über die Temporalitäten von Extraktionsprozessen, wie auch über die politische Instrumentalisierung von Natur.

Ina Heumann ist Wissenschaftshistorikerin und leitet gemeinsam mit Tahani Nadim das Center for the Humanities of Nature am Museum für Naturkunde Berlin. Sie hat zahlreiche Drittmittelprojekte konzipiert und eingeworben, die sich mit der politischen Epistemologie der Naturkunde beschäftigen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Naturkunde und Kolonialismus, Sammlungsökonomien und die Geschichte naturkundlicher Aneignungspraktiken. Sie publiziert international zu Themen wie „The Issue of Duplicates“, in: The British Journal for the History of Science, 55/3, 2022 (mit A. MacKinney und R. Buschmann); „Promises of Mass Digitisation and the Colonial Realities of Natural History Collections, in: The Journal of Natural Science Collections 11, 2023 (mit K. Kaiser, T. Nadim u.a.); Deconstructing Dinosaurs: The History of the German Tendaguru Expedition and its Finds, 1906-2022 (Brill, forthcoming, erweiterte und veränderte Übersetzung der Kiswahili Ausgabe 2018), ed. mit M. Vennen, H. Stoecker, Animals as Objects, https://animalsasobjects.org/de/ <https://animalsasobjects.org/de/>, ed. mit T. Nadim.

Tahani Nadim ist Juniorprofessorin für Sozial- und Kulturanthropologie am Institut für Europäische Ethnologie und am Museum für Naturkunde Berlin, wo sie gemeinsam mit Ina Heumann das Center for the Humanities of Nature leitet. Ihre Forschung befasst sich mit der gesellschaftspolitischen Kontextualisierung naturkundlicher Datenproduktion und ihrer Infrastrukturen sowie den Politiken des Arten- und Naturschutzes. Sie leitet aktuell das Forschungsprojekt „Museums and society: mapping the social“ (2020-2024), ihre neuesten Publikationen umfassen „Logistical natures“, Special Issue, Historical Studies in the Natural Sciences, 54/2, 2024 (mit M. Vennen, I. Heumann und F. Bertoni); „Seeds, German East Africa, 1892“, in The Planning Moment: Colonial and Postcolonial Histories, 2024, Fordham University Press (eds. S. Blacker et al.); “Museen und Rassismus” (mit R. Sarreiter), in Rassismusforschung, 2024, Nomos Verlag (eds. M. Bojadžijev et al.); „Promises of Mass Digitisation and the Colonial Realities of Natural History Collections, in: The Journal of Natural Science Collections 11, 2023 (mit K. Kaiser, T. Nadim u.a.).

Universitätsbibliothek der TU und UDK Berlin
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Beginn: 18.30 Uhr