Jan Engelke (Berlin): Wie die Moderne in den Alltag kam. Die Bedingungen des Eigenheim-Booms in der bundesdeutschen Nachkriegszeit

Das Präfix ›be-‹, mit dem die Dinge im Wort ›Bedingungen‹ in Verbindung stehen, verweist auf die Kräfte, die um die Dinge herum wirksam sind. In der Architekturproduktion bestimmen diese Kräfte als architektonische Bedingungen maßgeblich die Gestalt unserer gebauten Umwelt. Anhand in der Zeitschrift »Schöner Wohnen« publizierter Einfamilienhäuser erforscht dieser Beitrag die Bedingungen der Architekturproduktion der bundesdeutschen Nachkriegszeit und macht die Erfolgsgeschichte des Einfamilienhauses im ›Wirtschaftswunder‹ nachvollziehbar, die bis heute trotz aller Kritik fortgeschrieben wird.

Der Eigenheim-Boom der westdeutschen Nachkriegszeit wurde maßgeblich durch die architektonischen Produktionsbedingungen dieser Jahre geprägt: Populäre Zeitschriften – allen voran die »Schöner Wohnen«, die seit 1960 monatlich erschien – propagierten den Traum vom Eigenheim, den sich fortan immer mehr Menschen zu eigen machten. Die Förderung dieses Lebensentwurfs war zugleich vorderstes Ziel der Wohnungsbaupolitik der CDU-geführten Bundesregierungen unter Konrad Adenauer, die das Eigenheim als antikommunistisches und biopolitisches Instrument einsetzte. Der politische Fokus auf das Eigenheim entsprach auch den grundlegenden Linien der Stadtplanung dieser Zeit, deren Konzepte aufgelockerter und gegliederter Stadtlandschaften zu einem wesentlichen Teil auf das Einfamilienhaus bauten. Viele dieser Häuser wurden von einer Generation von Nachkriegs-Architekt:innen entworfen, deren Schaffen von Erlebnissen des Krieges und von einer Ausbildung in der unmittelbaren Nachkriegszeit geprägt war. Geplant wurde das Leben im Eigenheim entlang der vorherrschenden vergeschlechtlichten Rollenzuschreibungen und für die Ideologie der Kernfamilie, die die Bauten dieser Zeit ebenso formte wie neue Produktionsverfahren, Baustoffe und Technologien.

Die Häuser, die in diesem Beitrag in Erscheinung treten, sind bemerkenswerte Architekturen, in denen sich nicht nur das Spannungsfeld architektonischer Bedingungen abzeichnet. Ihre Architekturgeschichte des bundesdeutschen Wohnens erzählt zugleich davon, wie die Moderne in den Alltag kam.