Jörg Paulus (Weimar): Existenzweisen der Lücke im Archiv

Unter dem Begriff der Existenzweise lassen sich verschiedene Modi der Abwesenheit im Archiv diskutieren. Auf Étienne Souriau (Les différents modes d’existence, 1943) und Gilbert Simondon (Du modes d’existence des objets techniques, 1958) zurückgreifend, hat ihn Bruno Latour in den vergangenen Jahren wieder nachhaltig ins Gespräch gebracht (Enquête sur les modes d’existence. Une anthropologie des Modernes, 2012). Modifikationen der Abwesenheit sind bei allen drei Autoren in den Raum möglicher Existenzweisen eingelassen: Sind sie bei Souriau mit Blick auf den unabschließbaren Entwurfscharakter aller Dinge präsent (und zugleich als »glückliche Lücken, die ihren Freiraum auf neue, zu wagende Wege hin öffnen« prekär), so sind sie es bei Simondon im Modus der allgegenwärtigen technischen Umwegigkeit, die u.a. durch Reparatur und Überbrückung realisiert wird; bei Latour schließlich, der auf Souriaus Begriff der »Instauration« zurückgreift, werden hier die Begriffe der Passage und des Subsistierens wichtig – verstanden als Operationsmodi, die Existenzweisen im Verhältnis zu Abwesenheit und Lücke (jedoch stets nur vorübergehend) stabilisieren. Der Beitrag fragt nach Konsequenzen, die sich ergeben, wenn diese Konzepte in gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Diskurse eingetragen werden, die Abwesenheiten in archivarischen Überlieferungen verhandeln.