Patricia Lenz (Zürich): After Freedom of Expression? – Japanische Künstler:innen zwischen Nationalismus und vorauseilendem Gehorsam

Im August 2019 erregte ein Akt der Zensur internationales Aufsehen. Nur drei Tage nach ihrer Eröffnung wurde die Ausstellung „After ‚Freedom of Expression?’“ im Rahmen der Aichi Triennale in Nagoya geschlossen. Ursprünglich sollte die Ausstellung die öffentliche Diskussion über die Meinungsfreiheit in den Künsten befördern. Teil der Ausstellung waren vor allem Kunstwerke, die sich in Japan umstrittenen Themen widmeten. Die Werke thematisierten Kriegsverbrechen, die Rolle des Kaisers im Krieg, das Bekenntnis der Verfassung zum Pazifismus oder übten Kritik an der Regierung. Die Organisator:innen begründeten die Schließung mit dem Sicherheitsrisiko, das von den heftigen Protesten rechter Lobbyist:innengruppen ausging. Im vergangenen Jahrzehnt ist dieses Ereignis in Japans Kunstszene keinesfalls ein Einzelfall geblieben. Vielmehr hat sich die Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg im öffentlichen Kunst- und Kulturbetrieb nahezu als Tabu erwiesen. Diese Entwicklung geht mit dem zunehmenden Einfluss geschichtsrevisionistischer Haltungen in Japans Regierung einher.
Anstelle eines einseitigen Aktes der Zensur durch die japanische Regierung zeige ich in meinem Vortrag das komplexe Zusammenspiel zwischen dem Aktivismus rechter Gruppen, dem vorauseilenden Gehorsam im kulturellen Bereich und der staatlichen Förderpolitik. Unter Verweis auf die Kulturtheorie Michel Foucaults wird nachvollziehbar, wie die Einschränkung des künstlerischen Ausdrucks mit dem langjährigen Ringen verschiedener Interessengruppen um die Deutungshoheit der Erinnerungen an den Asien-Pazifik-Krieg zusammenhängt. Diese jüngsten Tendenzen haben weitreichende Folgen für die japanische Kunstszene. Zunehmend wird es schwieriger, Kunstwerke zu kriegsbezogenen Themen auszustellen, die einem spezifischen Narrativ der Vergangenheit Japans widersprechen.