Stephanie Herold (Berlin): Was bleibt vom Kommen? Beheimatung und Transformation

In seinem viel beachteten Werk „Das Zeitalter der Migration“ entwirft der Politologe Parag Khanna 2021 mögliche Zukunftsszenarien der globalen Migration und weist zugleich darauf hin, dass Migration ein facettenreiches und räumlich prägendes Phänomen von großer historischer Konstanz ist. In Europa kam es insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg zu großen Migrationsbewegungen. Orte der Ankunft für die Geflüchteten waren oft Provisorien. Nicht selten wurden bestehende Lager und/oder militärisch genutztes Gelände pragmatisch weitergenutzt. Entgegen der ursprünglichen Vorstellung als temporäre Zwischennutzungen entwickelten sich diese Orte oft zu dauerhaften Siedlungen.

Spuren ihrer Geschichte lassen sich dort bis heute ablesen und zeugen nicht nur von Entstehung und verschiedenen folgenden Nutzungsphasen, sondern auch von Aneignung und Beheimatung, in deren Zuge die Orte durch Ankommende und Bleibende entsprechend ihrer Vorstellungen und Bedürfnisse weiterentwickelt und transformiert wurden. Das spezifische Erbe dieser Orte könnte man so nicht nur in einer bestimmten bzw. bestimmenden Zeitschicht lokalisieren, sondern gerade in diesen Prozessen der Transformation. Der Beitrag möchte diese These anhand verschiedener europäischer Beispiele ausarbeiten und davon ausgehend weitergehende Fragen nach Aneignung, Erhalt und Transformation zur Diskussion stellen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund heutiger Flüchtlingsbewegungen und dem dringlichen Problem zukünftiger Beheimatung.

Stephanie Herold studierte Kunstgeschichte, Europäische Ethnologie und Denkmalpflege in Bamberg, Bergen (Norwegen) und Berlin. 2008–2021 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Denkmalpflege des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin und am Kompetenzzentrum Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien an der Universität Bamberg. 2016 promovierte sie mit einer Arbeit zur Rolle des Schönen in der Denkmalpflege (transcript, 2018). Seit Herbst 2021 ist sie Professorin für städtebauliche Denkmalpflege und Urban Heritage an der TU Berlin. In ihrer Forschung verbindet sie denkmaltheoretische und architekturhistorische Fragestellungen und beschäftigt sich in erster Linie mit Denkmalwahrnehmung und -aneignung, sowie der Inwertsetzung von und Auseinandersetzung mit neuerem architektonischen Erbe, insbesondere von der Nachkriegsmoderne bis zur Postmoderne.