Ton, Steine, Erben – Was bleibt von Hausbesetzungen in Berlin? (DE)

Hausbesetzungen sind ein eingehend erforschtes Thema, insbesondere in den Sozial-wissenschaften. Untersuchungen fokussieren dabei oft auf die Hausbesetzer*innen, ihr politisches Milieu sowie die sozialen Aspekte der teils sehr unterschiedlichen Communities. Selten standen jedoch die besetzten Häuser als materielles Erbe und Träger von Zuschreibungen und Erinnerungen im Fokus. Dieser Leerstelle widmen wir uns in unserem Forschungsprojekt „Was bleibt? Besetzte Häuser als (im)materielles Erbe und Case Studies für prozesshaftes Entwerfen“ zu besetzen Häusern in Berlin und fragen neben den entwurflichen Aneignungsprozessen auch nach den Überlieferungsmöglichkeiten von Hausbesetzungen. 

Fallstudienartig möchten wir erste Ergebnisse unseres Forschungsprojektes und des angegliederten Seminars vorstellen und zur Diskussion stellen. Im Zentrum werden Projekte wie das Kunsthaus Tacheles stehen, das nach der Räumung 2012 derzeit denkmalgerecht saniert wird, wobei die Street Art, Graffiti und weitere Spuren der Nutzungsgeschichte, die auf der Besetzung durch die Künstler*innengruppe „Tacheles“ fußt, konservatorisch erhalten werden, während das Gebäude von einem privaten Museum genutzt werden soll. Für wen wurde hier wessen Erbe erhalten? Taugt das Tacheles noch als Identifikationsort oder ist es nur noch Fragment einstiger Freiräume? An einem anderen Projekt, dem Georg-von-Rauch-Haus im Krankenhauskomplex Bethanien, das zu den frühen und bekanntesten Hausbesetzungen Berlins zählt, stellt sich eine andere Frage: das Gebäude wird seit der Besetzung in den frühen 1970er Jahren kontinuierlich als alternatives Jugendwohnprojekt genutzt. 2016 erfolgte eine denkmalgerechte Sanierung des vormaligen Schwesternwohnheims. Wurden hier die Besetzungsgeschichte und die heutigen Nutzer*innen einbezogen? Und wiederum anders zeigt sich die Lage in der Mainzer Straße, die durch die gewaltvolle Räumung 1990 hohe Bekanntheit erlangte. Von diesen Ereignissen zeugen heute vor Ort kaum Spuren, während eine Teilgruppe der damaligen Besetzer*innen sich mittlerweile für eine Tradierung oder Erinnerung einsetzt. Wie kann diesen Bedürfnissen angemessen nachgekommen werden?

In den Beispielen spielt die Frage nach Identitätskonstruktionen auf mehrfache Weise eine Rolle, etwa als Frage der Identifikation der früheren Besetzer*innen und heutigen Nutzer*innen der Gebäude oder als Frage nach der Identität der Stadt Berlin, für die besetzte Häuser bislang als imageprägend galten.