Zoya Masoud (Berlin): Ein Kollektiv für ein subjektiv(-iert)es Objekt. Das aleppinische Denkmalpflege-Kollektiv während des syrischen Krieges

Innerhalb des syrischen Krieges stand Aleppo über Monate hinweg im Brennpunkt der Kampfhandlungen. Insbesondere die Belagerungen der Stadt durch verschiedene Kriegsparteien wirkte sich maßgeblich auf die lokalen Lebensbedingungen wie auch das materielle Erbe der Stadt aus. Während der Kampfhandlungen durften weder Lebensmittel noch Menschen den Belagerungsring passieren. Nach Aussage eines Interviewpartners waren die Menschen »in einer irdischen Hölle« gefangen, während Bomben und Raketen vom Himmel fielen, Sprengstoff in unterirdischen Tunneln explodierte und Straßen- und Guerillakämpfe die Altstadt prägten.

Die lokale Bevölkerung wie auch das materielle Erbe der Stadt waren zu keiner Zeit und nirgendwo sicher. Über Nacht transformierten sich die einst überfüllten Straßen des Altstadt-Basars zu gespenstischen Gassen, während das reichhaltige Kulturgut partiell bzw. gänzlich zerstört oder gestohlen wurde. Zu diesem Zeitpunkt mobilisierte sich eine Gruppe von jungen männlichen Aleppinern, um das aleppinische Kulturerbe zu bewahren. Sie fuhren in die Altstadt, um Kulturgüter von der Frontlinie zu translozieren.

Nach dem Ende der Kampfhandlungen führte ich Interviews mit verschiedenen Akteuren dieser jungen Aleppiner. In den Gesprächen kristallisierte sich rasch heraus, dass zahlreiche Mitglieder der Gruppierung vor ihrem Einsatz für das aleppinische Kulturerbe keinerlei persönliche Verbindung zur Altstadt aufwiesen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Motivation dem lebensbedrohlichen Engagement der jungen Männer zugrunde lag? Wie konstituierte sich diese Gruppierung? Wer zählte zu den Akteuren und inwiefern gab es Ausschlusskriterien zur Partizipation?

Ich argumentiere, dass sich die Gruppe in einem sowohl zeitlichen als auch räumlichen Ausnahmezustand befand, in dem aufgrund der spezifischen Kriegssituation nichts alltäglich oder routiniert war. Das Leben in Aleppo während der Kampfhandlungen war von existenzieller Angst vor einem willkürlichen Tod geprägt. Diese Ausgangslage trug dazu bei, dass sich das Kollektiv junger Aleppiner zusammenschloss. Sie versuchten, ein unvergängliches Objekt in der Form einer subjektivierten Altstadt zu schaffen und zu verkörpern.