Niloufar Tajeri

Kurzvita
- Geb. 1980 in Teheran
- Seit 2022 Wissenschaftliche Mitarbeiterin DFG-Graduiertenkolleg 2227 „Identität und Erbe“, TU Berlin
- 2021 – 2023 Lehrbeauftragte, Hochschule Anhalt, Bauhaus Dessau, Masterstudiengang Coop Design Research
- 2017 – 2022 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, TU Braunschweig, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt
- 2020 Lehrbeauftragte, UdK Berlin, Lehrstuhl Kunst- und Kulturgeschichte
- 2016 – 2018 Architektin, coop.disco Architekturkooperative, Berlin
- 2013 – 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, KIT, Fachgebiet Bauplanung, Institut Entwerfen, Kunst und Theorie, BMBF Forschungsprojekt
- 2013 Redakteurin | Projektmanagerin, ARCH+, Berlin
- 2010 – 2013 Projektmanagerin, onlab, Berlin
- 2008 – 2010 Projektassistentin, Dubai Culture and Arts Authority, V.A.E.
- 2007 Forschungsassistentin, Netherlands Architecture Institute (Het Nieuwe Instituut), Rotterdam
- 2007 – 2008 Redaktionsassistentin, Volume Magazine, Amsterdam
- 1999 – 2006 Architektur-Studium, Technische Universität Karlsruhe (heute KIT)
Kontakt
Technische Universität Berlin
Fakultät VI – Planen Bauen Umwelt
Institut für Stadt- und Regionalplanung
Fachgebiet Denkmalpflege
DFG-Graduiertenkolleg 2227 „Identität und Erbe“
D-10623 Berlin
Sitz: Ernst-Reuter-Platz 1, 10587 Berlin | Raum BH-A 339/340
n.kirn.tajeri[at]tu-berlin.de
Die Verräumlichung von Kolonialität am Hermannplatz. Ein Konflikt um die Imagination und Produktion von Raum (Arbeitstitel)
Seit vier Jahrzehnten ist die Berliner Baupraxis von einem zeitgenössischen Historismus geprägt, der den Architekturdiskurs als ästhetische Bezugnahme auf Geschichte und als Phänomen der „Rekonstruktion“ begleitet. Zugleich wurde in dieser Zeit das neoliberale Projekt in der Stadtentwicklung paradigmatisch. Das Dissertationsvorhaben widmet sich einem Fallbeispiel, in dem beide Entwicklungen zusammenwirken. Am Hermannplatz entfaltet sich seit 2019 mit Beginn städtebaulicher Umplanungen und der privatwirtschaftlichen Neuplanung des angrenzenden Warenhauses ein stadtpolitischer Konflikt entlang dieser beiden Entwicklungslinien. Zwischen den beiden Bezirken Kreuzberg und Neukölln gelegen, verschränken sich am Hermannplatz zudem die Konsequenzen neoliberaler Stadtentwicklung mit den Themen Migration, Rassismus und Klassismus. Das Dissertationsvorhaben untersucht die Relation zwischen (1) bestehenden multiskalaren, rassifizierenden Diskursen und Räumen und (2) der spezifischen architektonischen, stadträumlichen Umplanung als Ausdruck eines neoliberalen Projektes, das durch Rückgriff auf ein verloren gegangenes, historisches Gebäude Diskursmacht herstellt und einen Anspruch auf Autorität erhebt.
Mittels Analyse des Diskurses und der in ihm eingesetzten Bilder sowie der Rekonstruktion des Konfliktes möchte ich meine These belegen, dass gelebte Alltagspraxis und ihr emergentes lokales Erbe bereits durch die Kommunikation des geplanten Vorhabens symbolisch getilgt werden, um dessen Umsetzung zu ermöglichen. Zugleich zementieren die Bilder und Diskurse des Neubauvorhabens die anhaltenden Gentrifizierungs- und Verdrängungsprozesse, und somit die Kontinuität kapitalistischer Ausbeutung als gegebene, alternativlose Zukunft der Produktion von Raum.
Die Arbeit stellt folglich das Neubauvorhaben als „verdrängendes Erbe“ zur Disposition und fragt, welche Infrastruktur die Konstruktion dieses Erbes als Identifikationsobjekt ermöglicht. Wie wird das „verdrängende Erbe“ entlang sozialer, epistemischer, politischer, ökonomischer Grundsätze/Leitlinien hegemonial? Mithilfe der Denkfigur der Erbe-Infrastruktur werden epistemische Grundlagen, Konventionen, Wertvorstellungen, Vorbilder, Prozesse, visuelle und ästhetische Gewohnheiten problematisiert und ihre Kontinuität seit der Kolonialzeit freigelegt. Mit einem Fokus auf räumliche Imagination und Produktion werden dabei die Prämissen von Planung und Architektur und ihrer Kolonialität untersucht. Denn die Entwicklung von Berlin und die Grundlagen des Entwerfens und Planens von Architektur und Stadt sind mit dem Kolonialismus verknüpft und begründen die „Kolonialität des Städtischen“ (Ha, 2016). Die Kontinuität dieser Bedingungen findet, so die These, am Hermannplatz als Verräumlichung von Kolonialität Ausdruck. Was bedeuten die im Fallbeispiel produzierten Erbe- und Identitätskonstruktionen vor dem Hintergrund der materiellen und immateriellen Hinterlassenschaften der ehemaligen Kolonialmetropole Berlin? Was ist die Verräumlichung von Kolonialität und wie wirken „Erbe“ und „Identität“ vor dem gegenwärtigen Hintergrund rassifizierter Räume und racial capitalism? Wessen Teilhabe/nicht-Teilhabe, wessen Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit produziert sie?
Die Zusammenhänge zwischen Rekonstruktionsprojekten sowie stadträumlichen Umgestaltungen und den räumlichen Folgen von racial capitalism sind im deutschen Kontext nicht hinreichend untersucht worden. Das Dissertationsvorhaben verfolgt daher das Ziel, aus der Fallstudie heraus dekoloniale Ansätze in die Architektur- und Planungstheorie zu übertragen und die Episteme, Konventionen und Normen räumlicher Imagination und Produktion zu hinterfragen.
Veröffentlichungen
Herausgeberschaften:
Nights of the Dispossessed. Riots Unbound Mit Natasha Ginwala und Gal Kirn, Columbia Books on Architecture and the City, New York, 2021.
Gemeinwohl entwickeln: Kooperativ und Langfristig! Mit coop.disco, Stadtentwicklungsamt Friedrichshain-Kreuzberg (Hg.), Berlin, 2018.
Kleine Eingriffe. Neues Wohnen im Bestand der Nachkriegsmoderne Mit Walter Nägeli, Birkhäuser Verlag, Basel, 2016.
Kabul – Secure City, Public City Mit Archis Foundation, Volume Magazine, Amsterdam, 2008.
Aufsätze (Auswahl):
„Neuköllner Null-Toleranz und sozialräumlicher Rassismus. Wie mit der Debatte um die «Clankriminalität» (Verdrängungs)-Politik gemacht wird“. Mit Jorinde Schulz. In: Rosa-Luxemburg-Stiftung, online: https://www.rosalux.de/news/id/46645/neukoellner-null-toleranz-und-sozialraeumlicher-rassismus
“And We Do Not Inhabit Single-Issue Spaces. Warum wir eine intersektionale Wissensproduktion und Erinnerungskultur in der Architektur brauchen“. In: ARCH+, Zeitgenössische feministische Raumpraxis, 246, Berlin, 2022.
„Brutalität der Lyrik. Eine Neubetrachtung des kritischen Diskurses über Erfolg und Misserfolg des sozialen Wohnungsbaus Düttmanns“. In: Werner Düttmann. Berlin.Bau.Werk. Lisa Marei Schmidt und Kerstin Wittmann-Englert (Hg.). Wasmuth & Zohlen Verlag, Berlin, 2021.
“Built to Be Torn Down, Fed to Be Starved, Resurrected to Be Disposed Of: Capitalism Is a Riot, a Riot from Above“. Mit Gal Kirn. In: Nights of the Dispossessed. Riots Unbound. Natasha Ginwala, Gal Kirn, Niloufar Tajeri (Hg.). Columbia Books on Architecture and the City, New York, 2021.
„Architektur als ideologische Dienstleistung. Eine Projektentwicklung der besonderen Art am Hermannplatz“. In: ARCH+, Berlin Theorie, 241, Berlin, 2020.
“(K)ein Platz für alle? Wie in Berlin-Neukölln nicht-erwünschte Bewohner*innen durch politische Bevormundung und machtvolle Interessen systematisch verdrängt werden”. In: Commún, 4, Bochum, 2020.
„Eine Projektentwicklung der besonderen Art“. In: Marlowes, online: https://www.marlowes.de/eine-projektentwicklung-der-besonderen-art/
“The Gecekodu Protest Hut of Kotti&Co. A Space for Housing Rights in Berlin”. In: The Funambulist, 22, Paris, 2019. Online: https://kottiundco.net/2019/06/02/english-the-gecekondu-protest-hut-of-kotti-co-a-space-for-housing-rights-in-berlin/
„Fast unsichtbar. Das WIE ist im Umbau der Wohnanlagen der Nachkriegszeit entscheidend“. In: Living the Region. Christian Holl, Felix Nowak, Peter Cachola Schmal, Kai Vöckler (Hg.). Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin, 2018.
„Subtraktion. Momente der Vergemeinschaftung im Großwohnungsbau“. In: ARCH+, An Atlas of Commoning. Orte des Gemeinschaffens, 232, Berlin, 2018.
„Die Kleinen Eingriffe und die Wohnungsfrage“. In: Kleine Eingriffe. Neues Wohnen im Bestand der Nachkriegsmoderne. Walter Nägeli, Niloufar Tajeri (Hg.). Birkhäuser Verlag, Basel, 2016.
„Transformierte Moderne, kollektive Moderne. Vom räumlichen zum wohnpolitischen Entwerfen im Umgang mit dem Bestand“. In: Kleine Eingriffe. Neues Wohnen im Bestand der Nachkriegsmoderne. Walter Nägeli, Niloufar Tajeri (Hg.). Birkhäuser Verlag, Basel, 2016.
Vorträge (Auswahl)
„The Gradual Production of Nonexistence: A Case Study of Karstadt, Hermannplatz in Berlin“ Mit Defne Kadioğlu. V Midterm Conference of the European Sociological Association Research Network 37: Urban Sociology, “Seeing Like a City/Seeing the City Through”, Session 16.1: „Margins, Displacement, and struggles in the Urban Arena“. Georg Simmel Center for Metropolitan Research, Humboldt Universität Berlin, 2022.
„Wessen Erbe, wessen Identität, wessen Architektur? Oder die notwendige Verkomplizierung von Geschichte, Kultur und Form“ Ringvorlesung DFG-Graduiertenkolleg 2227 „Identität und Erbe“, FH Erfurt, 2022.
„Kleine Eingriffe für ein Wohnen in der Postwachstumsstadt“ Im Rahmen des Veranstaltungsprogramms der Ausstellung „wohnen3 – bezahlbar, besser, bauen“, b.zb Bremer Zentrum für Baukultur, 2021.
„(K)Ein Platz für alle. Der stadtpolitische Konflikt am Hermannplatz“ Input im Rahmen der Konferenz „Place International – 73 Tage der Commune oder der lange Wellenschlag der Revolution“, Forum Freies Theater Düsseldorf, 2021.
„Das Benko Prinzip“ Mit Diana Lucas-Drogan Geomedia 2021, Konferenz „Off the Grid“, Session T3S2: „The City is not a Grid?!“ Universität Siegen, 2021.
“Please Update ‚Gestaltung‘ to the Latest Version. Zu Transformationskompetenzen und Resilienzen in Architektur und Stadt“ Berufungsvortrag mit Tobias Hoenig (co/now), TU Wien, 2020.
„Koproduktion. (Ver)Lernen von (etablierten) Prozessen und Arbeitsmethoden“ Bauhaus-Universität Weimar, Entwerfen und Wohnungsbau, 2018.
„Remembering Riots. Monuments and Archives of Dissent“ Mit Gal Kirn. WWU Münster, Institut für Kunstgeschichte, 2018.
“A renewed Attitude towards Restructuring Post-War Modernist Housing Estates” KTH School of Architecture, Stockholm, 2017.
Ausstellungen
All that is Solid Installation und Ausstellung über die amerikanische Wohnanlage Pruitt-Igoe im Rahmen des Seminars 1972 (or thereabouts) an der TU Braunschweig, 2018. In Kooperation mit Folke Köbberling (Institut für architekturbezogene Kunst).
Thinking a Monument to the Sub/Urban Riot Wanderausstellung, Akademie Schloss Solitude Stuttgart, Museum of Contemporary Art Ljubljana, Pixxelpoint Festival, 2016. Mit Gal Kirn.